Ein umfassender Beteiligungsprozess mit begleitender Öffentlichkeitsarbeit wurde Mitte 2022
gestartet und wird über die Projektlaufzeit bis Ende 2026 von der Zebralog GmbH begleitet.
Zwei von sechs Planungsbüros wollen das Kaufland am Erfurter Herrenberg abreißen
Das Wettbewerbsergebnis und wie es weiter geht - Alle Wettbewerbsbeiträge hier
Unter sechs eingereichten Beiträgen galt es für die hochkarätige Jury unter Vorsitz von Prof. Johannes Ringel (Leipzig), den besten zu ermitteln. Die 15 stimmberechtigen Mitglieder des Preisgerichts bestanden aus Fachleuten der Bereiche Stadtplanung, Verkehrsplanung und Freiraumplanung sowie Vertretern der Stadt, des Landes und des Bundes. Unter den circa 50 Teilnehmenden waren auch die Ortsteilbürgermeister, Vertreter der Stadtratsfraktionen und weitere Sachverständige. In der ganztätigen Veranstaltung wurde intensiv diskutiert, wurden Argumente ausgetauscht und Standpunkte verglichen.
Am Ende überzeugte das Konzept eines Dreierteams – bestehend aus dem Octagon Architekturkollektiv aus Leipzig, dem Büro impuls Landschaftsarchitektur aus Jena und dem team red aus Berlin. „Aus Sicht des Preisgerichts setzt es die Wettbewerbsziele am besten um“, erklärt Andrea Ziegenrücker, Landschaftsarchitektin aus Erfurt, die Entscheidung der Jury. Weniger Verkehrsflächen und mehr Wohn- und Lebensqualität, mehr Platz für Aktivitäten, neue Wege, um das Miteinander zu ermöglichen – so die Zukunftsvisionen, die die Wettbewerbssieger zu Papier gebracht haben, und deren Umsetzung bis ins Jahr 2060 reichen wird. „Die Schaffung der Neue Mitte erfordert aufgrund bestehender Gegebenheiten einen langen Atem. Die Ziele, die wir im Südosten verfolgen, können nur stufenweise umgesetzt werden und sind insoweit kurz-, mittel- und langfristig angelegt“, erläutert Dirk Heide, kommissarischer Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Stadtplanung.
Zukunftswerkstatt an der Judohalle am 2. November 2022
Am 2. November 2022 fand die Zukunftswerkstatt an der Judohalle Melchendorf statt. Über den sonnigen Nachmittag teilten ca. 100 sowohl junge als auch langjährige Bewohner*innen aus Melchendorf und Wiesenhügel ihre vielfältigen Ideen zur Neugestaltung der Freifläche um die Judohalle. Die lebendige Atmosphäre mit Informations- und Diskussionsständen, Rundgängen und Aktivitäten sozialer Einrichtungen aus dem Umfeld regten zum Austausch über die Chancen des Ortes an. Die Teilnehmenden der Werkstatt schlugen unter anderem Spiel- und Sportmöglichkeiten besonders im westlichen Teil der Freiflächen vor. Ebenso werden ruhige und grüne Orte sowie sichere Wegeverbindungen gewünscht.
Teilen Sie noch bis zum 12. Dezember 2022 auf digitalem Weg Ihre Ideen zur Gestaltung der Freifläche. Schreiben Sie dazu eine E-Mail an bauinfo@erfurt.de oder nutzen Sie das folgende Arbeitsblatt. |
Modellvorhaben Erfurt Südost - Arbeitsblatt zur Freifläche an der Judohalle (767.7 kB) [pdf] | Dokument nicht barrierefrei
Rückschau vom Bürgerforum zum Modellvorhaben 04. August 2022 |
Fotos: © Stadtverwaltung Erfurt, |
Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung - Erfurt Südost Rahmenkonzept 2021
Impressum
Herausgeber
Landeshauptstadt Erfurt
Stadtverwaltung
Bearbeitung
Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung Abteilung Stadterneuerung
Warsbergstraße 3
99092 Erfurt
Telefon 0361 655 3906
Fax 0361 655 3997
E-Mail stadtentwicklung.stadtentplanung@erfurt.de
Internet www.erfurt.de
Komm. Amtsleiter Dirk Heide | Amt für Geoinformation, Bodenordnung und Liegenschaften Garten- und Friedhofsamt |
Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung – Erfurt Südost Rahmenkonzept 2021
Inhaltsverzeichnis
| 1 | Stadterneuerung in Erfurt |
1 Stadterneuerung in Erfurt
1.1 Rückblick und Hintergründe
Stadtsanierung, Stadterneuerung und Städtebauförderung in Erfurt sind eine Erfolgsgeschichte. Die historische Erfurter Altstadt, das mit 240 ha größte Flächendenkmal Mitteldeutschlands, war 1989/90 durch jahrzehntelang unterlassene Instandhaltung weitgehend in offenem Verfall begriffen, über große Teile unbewohnbar und unmittelbar von einem weitgehenden Substanzverlust bedroht. Die oberzentralen Funktionen des Stadtkerns einer Landeshauptstadt konnten von der Altstadt nicht einmal rudimentär übernommen werden.
Mit umfangreicher Hilfe insbesondere der Städtebauförderung sowie den steuerlichen An-reizen und sehr viel privatem Engagement ist es seither im Rahmen der Stadtsanierung gelungen, die historische Altstadt von Erfurt wieder zu einer hochattraktiven, lebendigen Innenstadt von enormer Strahlkraft weit über Thüringens Grenzen hinaus zu revitalisieren. Abgesehen von noch anstehenden punktuellen Maßnahmen kann die Erfurter Altstadt heute als durchsaniert und voll funktionsfähig angesehen werden.
Die ab Ende der 1990er Jahre stufenweise und in den Anfangsjahren durchaus erfolgreich vorangetriebene Stadtsanierung im weitgehend baulich noch geschlossen vorhandenen Gründerzeitgürtel (Programmgebiet URBAN) fiel in der Folge zeitlich mit der massiven Schrumpfungsphase infolge des demographischen Wandels zusammen und kam zwischen-zeitlich weitgehend zum Erliegen.
Bis 1999 hatte die Stadt auf das heutige Stadtgebiet bezogen knapp 30.000 Einwohner durch ausbildungs- und arbeitsplatzbedingte Fernwanderung, Abwanderung ins Umland sowie ein hohes Geburtendefizit verloren. Das Ergebnis waren massive Leerstände sowohl in den unsanierten Gründerzeitbeständen im Osten und Norden der Stadt, als auch insbesondere in den Großsiedlungen, die quartiersweise bis 40% heranreichten. Alle Prognosen wiesen damals durchgängig weiter voranschreitende Einwohnerrückgänge aus, ein Trendbruch war nicht ansatzweise in Sicht.
Infolge der ab Mitte der 1990er Jahre einsetzenden Abwanderung aus den Großsiedlungen sowohl in die alten Bundesländer, als auch in die neuen Eigenheimsiedlungen im Umland kam es binnen weniger Jahre zu einer fundamentalen sozialen Entmischung in den wenige Jahre zuvor noch sozial intakten Großsiedlungen. Eine Kompensation der Fortzöge erfolgte häufig nur durch Zuweisung Bedürftiger in die kommunalen Bestände, was das Abwanderungsverhalten noch beschleunigte. Mit dem rasant zunehmendem Leerstand und einer in kürzester Zeit fundamental veränderten Bevölkerungszusammensetzung waren die Großsiedlungen durch zunehmend offenen Verfall und Vandalismus geprägt, die Wohnungsunternehmen waren wirtschaftlich massiv und existentiell bedroht.
Unterstützt durch das Bund-Länder-Programm Stadtumbau Ost ist es in einem sehr schwierigen und schmerzhaften Prozess in der Dekade von 1999 bis 2008 gelungen, auf Grundlage komplexer wohnungswirtschaftlicher und städtebaulicher Konzepte (Masterplan Erfurter Großsiedlungen) und begleitet von einer intensiven konfliktreichen Bürgerbeteiligung wesentliche Teile der Großsiedlungen grundlegend zu stabilisieren und andere, nur noch schwer sanierbare Bestände mit einem professionellen Umzugsmanagement leerzuziehen und abzubrechen. Parallel dazu sind die zu erhaltenden Bestände weiter saniert worden.
Rein baulich gesehen sind die Erfurter Großsiedlungen heute fast durchgängig intakt und mindestens mittelfristig markttauglich. Sie stellen heute einen wichtigen, wesentlichen Bestandteil des Wohnungsmarktes im Segment des preiswerten "bezahlbaren" Wohnraums dar.
Aus heutiger Sicht der wieder wachsenden Stadt wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, einen Teil der damals abgebrochenen Gebäude zunächst nur stillzulegen. Diese Entwicklung war jedoch im Zeitraum vor 2008 nicht ansatzweise vorhersehbar.
Parallel zum Stadtumbau in den Großsiedlungen galt es, auch im Gründerzeitgürtel den leerstandsbedingten weiteren Niedergang und eine Perforation der städtebaulich durch-aus attraktiven Gründerzeitgebiete aufzuhalten. Auch hier sorgten offener Verfall und Vandalismus insbesondere im Norden der Stadt zu einer Beschleunigung der Abwärtsentwicklung. Aufgrund der kleinteiligen Eigentümerstruktur schieden hier Leerstandskonzentration und Rückbau als Handlungsoption aus.
Mit dem Einsetzen einer deutlich ansteigenden Nachfrage nach innerstädtischem Wohn-raum ab 2008 und umfangreich unterstützt durch Stadtsanierung und Städtebauförderung ist es jedoch gelungen, diese Entwicklung umzukehren und eine Perforation der Gründerzeitquartiere zu vermeiden. Heute sind die Erfurter Gründerzeitgebiete fast durch-gängig sanierte, attraktive, innenstadtnah gelegene Wohnlagen, die bis auf punktuelle Missstände und Gewerbebrachen als intakt und funktionsfähig angesehen werden können.
Die erfolgreiche Stadterneuerung und Revitalisierung der innerstädtischen Stadtteile hat ohne Zweifel neben den Gunstbedingungen der Landeshauptstadt und einer gesunden mittelständisch orientierten Wirtschaftsentwicklung maßgeblich dazu beigetragen, dass die Landeshauptstadt Erfurt ab 2010 in ein kontinuierliches Stadtwachstum um ca.1.200 Einwohnern pro Jahr übergegangen ist.
Im Gegensatz zu nahezu allen anderen Städten in Thüringen sehen die Prognosen für Erfurt in den kommenden Jahren ein weiteres moderates Stadtwachstum voraus. Die Leerstandsquote in Erfurt liegt seit mehreren Jahren bei lediglich 3%, also nur noch sehr knapp über der für Umzüge erforderlichen Fluktuationsreserve. In sehr nachgefragten Stadtteilen wird dieser Wert sogar teils deutlich unterschritten. Insgesamt kann der Erfurter Wohnungs-markt daher als angespannt bezeichnet werden.
Basierend auf aktuellen Bevölkerungsprognosen sowie Annahmen zum künftigen Wohn-verhalten werden in Erfurt bis zum Jahr 2040 ca. 7.000 weitere Wohneinheiten benötigt. Das nahezu ausschließlich von privaten Bauherren und Bauträgern beherrschte Neubaugeschehen umfasste in den letzten Jahren mit starken Schwankungen in der Fertigstellung ein Neubauvolumen von zwischen 400 und 1.000 WE pro Jahr. Dabei lag der Schwerpunkt sehr deutlich auf dem Geschosswohnungsneubau. Das kommunale Wohnungsunternehmen hat im letzten Jahrzehnt seine Bestände voll-ständig auf die Großsiedlungen konzentriert und nahezu alle Bestände im Gründerzeitgürtel und der Altstadt veräußert, um sich auf eine kostengünstige Sanierung der Bestände in den Großsiedlungen zu fokussieren.
1.2 Aktuelle Herausforderungen
Infolge der Zuwanderung Geflüchteter ab dem Jahr 2015 war die Landeshauptstadt (LH) Erfurt gezwungen, in erheblichem Umfang Unterbringungsmöglichkeiten bzw. nachfolgend dann kostengünstigen Wohnraum bereitzustellen. Hierfür hat sie in erheblichem Umfang auf die Bestände des kommunalen Wohnungsunternehmens zurückgreifen müssen, da die anderen institutionellen und privaten Vermieter sich nur in sehr geringem Um-fang an der Unterbringung beteiligt haben. Hinzu kam, dass weder die Stadt noch die KoWo in der Lage waren, kurzzeitig umfangreiche Unterkünfte neu zu erstellen bzw. am Markt zu erwerben.
Infolge dessen haben sich in den Großsiedlungen, insbesondere in den Beständen des kommunalen Wohnungsunternehmens die Ausländerquoten binnen vier Jahren von zuvor 4 bis 5% auf Werte von bis zu 26% mehr als verfünffacht. In einzelnen Gebäuden liegen die Ausländerquoten noch deutlich darüber. Durch das zeitliche Zusammenfallen der anziehenden Wohnungsnachfrage und der Unterbringung von Geflüchteten hat es zudem eine merkliche Verknappung von kostengünstigem Wohnraum in den preiswerten Wohnungs-beständen der Großsiedlungen gegeben, sodass es mehr oder weniger offen zu Verdrängungseffekten in diesem Wohnungsmarktsegment kam. Die ohnehin soziale benachteiligte Bewohnerschaft musste nun mit den unter besonderer Fürsorge der öffentlichen Hand stehenden Migranten um diesen kostengünstigen Wohnungen konkurrieren.
Aus dieser Gemengelage heraus sind erhebliche Konflikte entstanden, die sich inzwischen sehr deutlich in den Ergebnissen der Bundestags- und Kommunalwahl widergespiegelt haben und die zu einer nicht unerheblichen Radikalisierung insbesondere jüngerer Bevölkerungsgruppen geführt haben. Forciert wurde diese Entwicklung noch durch die Ansiedlung der als rechtsextremistisch eingeschätzten Bewegung "Der dritte Weg" / "Neue Stärke Erfurt". Im Herbst 2020 ist die Neue Stärke Erfurt mittlerweile wieder aus dem überwiegend leerstehenden ehemaligen Großen Herrenberg-Center ausgezogen - was jedoch keinesfalls bedeutet, dass die Bewegung keinen Einfluss mehr im Südosten hat. Grund für den Auszug ist der ausgelaufene befristete Mietvertrag, deren ausgebliebene Verlängerung sicherlich auch im Zusammenhang mit den Verkaufsabsichten des derzeitigen Eigentümers zu betrachten ist.
Die Stadt Erfurt ist gemeinsam mit Rostock (ebenfalls Modellvorhaben), Schwerin, Potsdam und Weimar in besonderem Umfang von einer starken bereits vorhandenen sozialen Spaltung innerhalb der Gesamtstadt betroffen (Marcel Helbig, Stefanie Jähnen: Wie brüchig ist die soziale Architektur unserer Städte? Trends und Analysen der Segregation in 74 deutschen Städten. Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Berlin 2018. S. 29. Online verfügbar unter: https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2018/p18-001.pdf. letzter Zugriff am 28.07.2021). Der Sozialstrukturatlas 2020 der Stadt Erfurt, der zwei Jahre später er-schien, spezifiziert diese Tendenzen für die Stadt Erfurt (vgl. Stadt Erfurt: Sozialstrukturatlas 2020 zur Beschreibung der Lebenslagen der Erfurter Bevölkerung. Erfurt 2020.). Bei den benachteiligten Quartieren handelt es sich hier durchgängig um Großsiedlungen, in denen sich Bezieher von Hartz IV, Familien unter der Armutsgrenze, Alleinerziehende mit Kindern, Langzeitarbeitslose, Rentnerinnen und Rentner mit gebrochenen Erwerbsbiographien und Migrantinnen und Migranten konzentrieren. Das wirkt sich zunehmend auf die Nachbarschaften und die Erfahrungen der verschiedenen Lebenswirklichkeiten im Stadtteil aus und schlägt sich in den immer schlechteren Entwicklungsperspektiven von Kindern und Jugendlichen nieder. Insofern kommt der Verbesserung der Schul- und Bildungslandschaft eine hohe Bedeutung zu.
Aufgrund der beschriebenen vielschichtigen Problemlagen ist der Erfurter Südosten 2015 in das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" aufgenommen worden, wofür eine entsprechende Gebietskulisse geschaffen und beschlossen wurde. Die Maßnahmen im Programm Soziale Stadt konzentrieren sich vorrangig auf die Sanierung der vorhandenen Gemeinbedarfseinrichtungen im Gebiet. Ferner wird die Sanierung der Grundschule 34 am Wiesenhügel aus dem Programm gefördert, die bauliche Umsetzung hat bereits begonnen und soll bis 2022 abgeschlossen werden.
Diese Maßnahmen aus dem Programm Soziale Stadt sind dringend notwendig und unmittelbar auf die Bedürfnisse innerhalb der einzelnen Quartiersstrukturen zugeschnitten. Sie werden auch vom Umfang her nicht ausreichen, um die Problemlagen wirksam zu lösen. Um die massiven, übergeordneten stadtstrukturellen Defizite des Südostens insbesondere hinsichtlich des dringend notwendigen Umbaus der verkehrlichen Infrastruktur auch nur ansatzweise zu beheben, bedarf es folglich anderer Instrumentarien mit einem stärkeren städtebaulichen Schwerpunkt.
Seit Anfang 2020 ist der Umgang mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie als bundesweite Herausforderung – und so auch im Erfurter Südosten – hinzugekommen. Lebens- und Arbeitswelten und damit auch der Alltag von Bewohnerschaft und freien Trägern im Gebiet wurden durch die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Pandemie stehenden Maßnahmen merklich beeinflusst. Das zwischenmenschliche Miteinander beispielsweise zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie vertrauten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern in den Einrichtungen im Stadtteil (z.B. Stadtteilzentrum Herrenberg, Teilhabezentrum Erfurt Südost, Familyclub, Quartiersmanagement Erfurt Südost) musste neu gedacht und neue Formen der Kommunikation und Interaktion entwickelt werden. So wurden digitale Formate wie etwa Online-Sprechstunden, Online-Kurse, Online-Hausaufgabenhilfe etc. angeboten, die jedoch sowohl seitens der Träger als auch seitens der Bewohnerschaft zunächst anlaufen und sich etablieren mussten. Auch das konstante Erreichen insbesondere derjenigen Zielgruppen, für die die sozialen Einrichtungen im Stadtteil essentielle Anlauf- und Ankerpunkte darstellen, ist über digitale Formate weitaus schwieriger, als im unmittelbaren Eins-zu-Eins-Kontakt. Vieles basiert auf zwischen-menschlichem Vertrauen, das über das Digitale schwerer aufzubauen und beizubehalten ist.
Veränderungen des Miteinanders spiegeln sich auch in der Nutzung der öffentlichen Räume wider: sie wurden anders und nur in eingeschränkter Form genutzt. Geschlossene Kindertagesstätten und Schule, zeitweise geschlossene Spielplätze und Einkaufsläden, Home Office in vielen Bereichen sowie allgemeine Kontaktbeschränkungen zur Minimierung der Ausbreitung des Corona-Virus trugen dazu bei, dass alltägliche Bewegungsströme und daraus resultierende zufällige Begegnung im öffentlichen Raum minimiert wurden. Der Erfurter Südosten weist zwar quantitativ eine Vielzahl von öffentlichen Frei- und Grün-räumen auf, die aber oftmals aufgrund von fehlenden baulich-räumlichen Qualitäten (Barrieren, schlechte Bauzustände) nicht sonderlich zur Nutzung einladen. Die Wohnung als zentraler Aufenthaltsort für Familien, in dem Homeoffice und Home-Schooling zugleich stattfand, stellte den Ausgangspunkt für Kinder und Erwachsene für aktive Verabredungen - zumeist im öffentlichen Raum dar. Oftmals ist jedoch die Hürde des aktiven Verabredens höher als beispielsweise das zufällige nach der Schule noch im öffentlichen Raum verweilen.
2 Modellvorhaben Erfurt Süd Ost
2.1 Ausgangssituation und Kurzbeschreibung
Der Erfurter Südosten ist durch die drei voneinander getrennten, in den 1970er bis 1980er Jahren in industrieller Bauweise entstandenen Großsiedlungen Herrenberg, Wiesenhügel und Drosselberg geprägt, die sich um eine darin eingezwängte, sozial und baulich intakte historische Dorflage des Ortes Melchendorf gruppieren.
Wenngleich die vier Stadtteile baulich-strukturelle Differenzen aufweisen, spiegeln sich diese Gegensätzlichkeiten kaum in den sozialen Indikatoren wider, die im Sozialstrukturatlas 2020 der Stadt Erfurt erfasst wurden. Innerhalb des Planungsraums Südost konzentrieren sich jedoch gewisse Problemlagen im gesamtstädtischen Vergleich überdurchschnittlich häufig. Des Weiteren existiert ein Gefälle zwischen den Stadtteilen, wobei sich Melchendorf bezüglich der Werte der untersuchten Indikatoren in der Regel deutlich vor den Ortsteilen Wiesenhügel/Drosselberg und Herrenberg einordnet.
So liegt beispielsweise der Anteil des SGB II-Leistungsbezugs liegt in allen drei Ortsteilen (Melchendorf 17,4%, Wiesenhügel/Drosselberg 23,4%, Herrenberg 23,7%) trotz Rückgang in den vergangenen Jahren deutlich über dem gesamtstädtischen Wert von 12,8%. Insbesondere am Wiesenhügel/Drosselberg und Herrenberg sind die Ausprägungen fast doppelt so hoch. Auch liegt beispielsweise der Anteil der Kinder bis unter 18 Jahre in SGB II-Bedarfsgemeinschaften im Südosten (Melchendorf 30,8%, Wiesenhügel/Drosselberg 42,5%, Herrenberg 41,1%) merklich über dem städtischen Durchschnitt von 21,9%.
Es existieren vielschichtige soziale Problemlagen und massive Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den Großsiedlungen, die alle in Hanglage bzw. auf Hügeln errichtet wurden und bereits umfangreiche bauliche Sanierungsmaßnahmen am Gebäudebestand durchliefen.
Durch die introvertierte städtebauliche Anlage und Erschließung, die topographischen Rahmenbedingungen insbesondere an den Gebietsrändern und deutlich verstärkt durch die in den 1990er Jahren erfolgte soziale Entmischung sind die drei Großsiedlungen von massiven Verinselungstendenzen und Segregationserscheinungen geprägt. Sie stellen heute jeweils für sich isolierte Stadtviertel dar, die kaum untereinander oder mit dem städtischen Umfeld in Austausch stehen.
Segregation und Soziale Spaltung erodieren vielerorts zunehmend die Stadtgesellschaften und gefährden den sozialen Frieden weit über das jeweilige Quartier hinaus. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen haben erste Untersuchungen gezeigt, dass die Corona Pandemie bestehende soziale Ungleichheiten weiter zu verstärken scheint und folglich die Situation von Kindern und Jugendlichen aus problembelasteten Stadtteilen weiter verschärft wird. So erklärt beispielsweise Dr. Jan Paul Heisig, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheit und soziale Ungleichheit am Wissenschaftszentrum Berlin, im Interview mit der Bundeszentrale für politische Bildung (Online verfügbar unter:
https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/coronavirus/307702/soziale-folgen, letzter Zugriff am 29.07.2021), dass die Schließung der Schulen während der Pandemie existierende soziale Ungleichheiten im Bildungserfolg und der Kompetenzentwicklung weiter verstärkt hat.
Ähnliches spiegeln auch die freien Träger aus dem Erfurter Südosten aus ihrer ganz praktischen Arbeit im Sozialraum wider, deren Arbeit durch die coronabedingten Einschränkungen in vielen Bereichen vollständig zum Erliegen gekommen ist. Wenngleich Kinder- und Jugendarbeit zwar teilweise in Kleingruppen durchgeführt werden konnte, ging durch die notwendigen Regeln wie z.B. Abstand halten, Hinterlassen von Kontaktdaten, Anmeldungen etc. die Niedrigschwelligkeit der Angebote verloren. Folglich konnten die Zielgruppen, die es primär zu erreichen gilt, tatsächlich zeitwiese nicht oder nur eingeschränkt erreicht werden.
Trotz großer Erfolge in der Stadtsanierung und Stadterneuerung insgesamt ist Erfurt aus unterschiedlichen historischen Gründen hinsichtlich der Segregation der Stadtgesellschaft in einem bedrohlichen Umfang vorangeschritten. Auch wenn die daraus resultierenden Konflikte im europäischen Vergleich derzeit noch relativ moderat sind, ist es offenkundig, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
Es wird eingeschätzt, dass trotz der besonderen Ausgangslage der Großwohnsiedlungen in den neuen Bundesländern die vorliegend beschriebene Segregationsproblematik in Erfurt in vielerlei Hinsicht bundesweit sehr präsent ist und sich gegenwärtig in Ost und West hochdynamisch weiterentwickelt. Integrierte Strategien und Maßnahmen gegen Segregation und soziale Spaltung, die sich weit über den Handlungsrahmen der unmittelbaren sozialen Hilfsangebote hinaus erstrecken, werden wesentliche Bestandteile künftiger Stadtentwicklungsstrategien darstellen.
Am Erfurter Beispiel soll modellhaft erprobt werden, in welchem Umfang und mit welchem Erfolg Segregation durch gezielte sozialräumliche und städtebauliche Interventionen und gezielte Angebote abgebaut werden kann.
Hinzu tritt, dass die dringend notwendige Korrektur und Weiterentwicklung der städte-baulichen Großprojekte der Moderne, insbesondere der Großsiedlungen aus den 1970er und 1980er Jahren in Ost und West gleichermaßen eine große Zukunftsaufgabe darstellt – dies umso mehr, da vor dem Hintergrund des Klimaschutzes, schwindender Ressourcen und dem Zwang zur Wiederverwendung gebundener grauer Energie ein perspektivischer Ersatz der Bestände in den Großsiedlungen durch Abriss und Neubau künftig eher nicht mehr in Betracht kommen wird. Auch hier kann das Erfurter Modellvorhaben wichtige Erkenntnisse und Impulse für andere Städte liefern.
2.3 Zweck des Modellvorhabens
Mit dem Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung soll eine integrierte Strategie verschiedener städtebaulicher Maßnahmen verfolgt werden, um die in vielfacher Weise vorhandenen sozialen, stadträumlichen und kognitiven Abgrenzungen und Isolierungen zwischen den Stadtteilen durchlässig zu machen und die heute radikal voneinander getrennten Lebenswelten und Hemisphären der vier aneinander grenzenden Stadtteile Herrenberg, Wiesenhügel, Melchendorf und Drosselberg erstmals tatsächlich miteinander zu verbinden.
Dabei geht es weniger um die bloße "Aufwertung", sondern um eine grundlegende strukturelle städtebauliche Weiterentwicklung und Transformation - insbesondere an ihren problematischen Rändern und in Hinblick auf eine bessere Integration in das umliegende Stadtgefüge sowie eine zukunftsfähiges Quartiersimage.
Um diesem Zweck gerecht zu werden, müssen an den schroffen städtebaulichen Bruchkanten, die zugleich auch sozialräumliche Grenzen darstellen, umfangreiche Stadtreparaturen erfolgen. Anstelle der unwirtlichen Abgrenzungsräume sollen neue attraktive und fußläufig nutzbare Stadt- und Freiräume hergestellt werden. Mit dieser positiven Besetzung der Übergangsräume, die untrennbar jeweils den beiden Seiten zugehörig sind, soll eine Vernähung dieser "Inneren Rückseiten" erfolgen und eine neue gemeinsame Identität des größer gewordenen durchgängigen Stadtteils "Südost" ermöglicht werden.
Der städtebauliche Ansatz des Modellvorhabens besteht darin, die drei heute weitgehend introvertierten Großsiedlungen intensiv und auf vielfältigste Weise mit der umgebenden Stadt und ihren Stadträumen zu verknüpfen, die Insellage der Großsiedlungen grundlegend zugunsten einer flächig funktionsfähigen Stadtstruktur zu überwinden, Barrieren abzubauen, das introvertierte Freiraum- und Wegesystem auf diese neuen Verbindungen auszurichten und die Stadt an ihren hier besonders frappierenden Bruchstellen stadträumlich eng miteinander zu vernähen.
Eine zentrale Aufgabe des Modellvorhabens soll darin liegen, die öffentlich nutzbaren Räume im Erfurter Südosten an den Nahtstellen zwischen den Stadtteilen, insbesondere der "Neuen Mitte Südost" aufzuwerten, für Alle nutzbar zu machen und die Stadtteile so-wie ihre jeweiligen Bewohnerinnen und Bewohnern hier miteinander in Verbindung zu bringen.
Dafür gilt es eine konzeptionelle Strategie zu entwickeln und diese teilweise im Rahmen des Modellprojektes umzusetzen mit dem Ziel einer grundlegenden Neuordnung des heute weitgehend vom motorisierten Individualverkehr dominierten Straßenraums im Bereich Kranichfelder Straße und Haarbergstraße. Eine deutliche Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Freiraum sowie eine Verkehrsberuhigung führen dazu, dass mehr Platz für barrierefreien Fußverkehr und sicheren Radverkehr geschaffen wird. Die "Neue Mitte Südost" soll mit neuen öffentlichen Funktionen unterlegt werden und so-mit die Umwandlung der gegenwärtig als "Transitzone" – ein öffentlicher Raum zum
"Durchfahren und Durchqueren" empfundenen Raums zu einem identitätsstiftenden Zielort des Miteinanders forcieren.
Bei der Konzeption der "Neuen Mitte" geht es weniger um die bloße "Aufwertung", sondern um eine grundlegende strukturelle städtebauliche Weiterentwicklung und Transformation - insbesondere an ihren problematischen Rändern und in Hinblick auf eine bessere Integration in das umliegende Stadtgefüge sowie ein zukunftsfähiges Quartiersimage.
Aufgrund der Langfristigkeit des umfassenden stadtstrukturellen Umbaus in der "Neuen Mitte Südost", wird deutlich, dass das Modellvorhaben hier nur ein erster Schritt sein kann. Die vollständige Umsetzung der Wettbewerbsergebnisse wird nur über einen längeren Zeitraum realisiert werden können. Auch die entstehenden Kosten gehen über das vorhandene Budget hinaus.
Im Rahmen des Modellvorhabens muss deshalb sichergestellt werden, dass ein erster Bau-abschnitt diese Veränderungen einleitet und positive Ansätze schafft, die allseits die Bereitschaft und Notwendigkeit der weitergehenden Umsetzung erzeugt sowie von der Erforderlichkeit der weiteren Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel überzeugt.
2.4 Ziele
Bei der Definition der Zielsetzungen, die im Rahmen des Modellvorhabens erreicht werden sollen, ist zwischen den allgemeinen Zielen, die übergeordnet für das gesamte Modellvorhaben stehen und den spezifischen Zielen, welche in den einzelnen Teilprojekten verfolgt werden, zu differenzieren.
2.4.1 Allgemeine Ziele
Die allgemeine Zielstellung des Modellvorhabens besteht darin, einerseits die Identitäten der jeweiligen Stadtteile wertzuschätzen und zu stärken, andererseits aber die dazwischen liegenden Ränder und Grenzen bewusst so zu verwischen, dass insgesamt ein ganz normales durchgängig nutzbares Stück Stadt ohne Brüche und innere Rückseiten entsteht.
Damit soll, unterstützt durch ein umfassendes Paket ganz unterschiedlicher Maßnahmen und Interventionen, den sich weiter verstärkenden Segregationstendenzen zwischen den benachteiligten, sich abgehängt fühlenden Stadtteilen und dem Rest der Stadt entgegen-gewirkt werden. Zudem soll eine perspektivisch drohende weitere Zuspitzung der Konflikte und Problemlagen innerhalb der Großsiedlungen und eine daraus resultierende weitere Stigmatisierung der Stadtteile und ihrer Bewohner in der Gesamtstadt verhindert werden.
2.4.2 Spezifische Ziele
Das Modellvorhaben umfasst sechs spezifische Ziele, die im weiteren Verlauf durch die der Handlungsfelder und Teilprojekte mit konkreten Maßnahmen untermauert werden.
Diese Aufgabe ist schwierig, und sie bedarf, wie in der Vergangenheit die Stadtsanierung benachteiligter Altstadtquartiere in den 1980er und 1990er Jahren schon gezeigt hatte, viel Ausdauer und einer großen Kontinuität. Aber sie kann, das beweist die Stadterneue-rung in Erfurt in besonderer Weise, zu einem grundlegenden, dauerhaften Erfolg führen. Doch dauerte dieser Prozess etwa 30 Jahre – und für einen stadtstrukturell tiefgreifenden Veränderungsprozess, wie er im Erfurter Südosten anvisiert wird, ist bis zu seiner ganzheitlichen Umsetzung ein ähnlicher Zeithorizont zu erwarten. Das Modellvorhaben soll die Vision für den Erfurter Südosten hervorbringen, wichtige Impulse für den Prozessbeginn generieren.
2.4.2.2 Grenzen sozialräumlich und baulich überwinden und Stigmatisierung durch Aufenthaltsqualität entgegenwirken
Diese neuen Nutzungen bilden hochwertig gestaltete öffentliche Räume mit hoher stadt-räumlicher und Aufenthaltsqualität, die eine positive Identifikation und Selbstdefinition der Bewohner aller vier umgebender Stadtteile ermöglichen. Sie verschaffen allen vier Stadtteilen ein neues Selbstbewusstsein. Gleichzeitig sind umfassende Maßnahmen für den sozialen Zusammenhalt und die Integration der unterschiedlichen Bewohnergruppen notwendig. Vor Ort sollen Angebote für eine aktivierende Unterstützung und Bildung ins-besondere für Kinder und Jugendliche geschaffen werden, die individuelle Entwicklungschancen eröffnen.
Neben der Neuen Mitte als zentralem Element ist es sinnvoll, gerade an den Rändern und den Nahtstellen zu den angrenzenden Stadtvierteln gezielt neue Baustrukturen planungs-rechtlich vorzubereiten und zu realisieren. Die für die kommenden Jahre prognostizierte Wohnraumnachfrage eröffnet hier grundlegend gute Realisierungschancen. Zudem bietet die Nutzung der Neubaupotenziale geeigneter Flächen für vielfältige, innovative oder auch experimentelle Wohnungsprojekte die Chance, die Großwohnsiedlungen nach und nach zu vielgestaltigen und entwicklungsoffenen Stadtteilen zu transformieren.
Das Erfordernis zur Anpassung an den Klimawandel ist gerade in den exponierten Platten-bauten ein Thema der Zukunftsfähigkeit. Gemeinsam mit den Wohnungsunternehmen sollen Konzepte zum sommerlichen Wärmeschutz entwickelt werden, die mit einfachen, wirkungsvollen und plakativen Maßnahmen an der Fassade oder vor bzw. am Gebäude durchgeführt werden können.
In den öffentlichen und halböffentlichen Freiräumen sollen gezielt stressresistente, großkronige Bäume nachgepflanzt werden, um die Klimaveränderungen für die Bewohnerschaft zumindest teilweise kompensieren zu können. Hier bietet es sich an, in Workshops und Werkstätten den Erfahrungsschatz der Gebietsbevölkerung zu nutzen und auch hierüber wieder gleichzeitig Integration zu ermöglichen.
2.4.2.4 Schaffung lebendiger Stadtteile als Multifunktionsräume
Die vorhandenen Flächenpotenziale sollen gezielt genutzt werden, um an den wichtigen Nahtstellen im Gebiet neuartige Angebote im Wohnungsbau, in der Freiflächengestaltung sowie in vorhandenen oder neu zu errichtenden Gebäuden zu etablieren.
In der Neuen Mitte Südost sollen öffentliche und private Nutzungen für den Stadtteil gemischt werden: ein Cafe, eine neue Kindertagesstätte, eine Stadtteilbibliothek sowie weitere mögliche Angebote sollen ein eigenes Profil für die neue gemeinsame Mitte schaffen. Diese werden ergänzt durch Angebote für die besonderen Bedürfnisse der Bewohnerschaft, Seniorenclubs oder Multifunktionsräume für verschiedene Anlässe.
2.4.2.5 Stadtstrukturelle Neuausrichtung der öffentliche und halböffentlichen Freiräume und Grünflächen
2.4.2.6 Entwicklung zukunftsfähiger Infrastrukturen und Mobilitätskonzepte
Neben dem allgemeinen Umgang mit den ausgedehnten Verkehrsflächen im Gebiet ist insbesondere der Bereich des Knotens Abzweig Wiesenhügel und des Stadtbahndreiecks von Interesse. Die heutigen Anlagen der Verkehrsinfrastruktur aus den 1970er/80er Jahren haben hier zu einem ausgedehnten, nicht vom Menschen begehbaren Areal direkt in der Mitte des Gebiets geführt, die eine massive großräumige Barriere im Stadtraum darstellen. Zudem verlangt der bauliche Zustand der Brückenanlage zeitnah einen Ersatz.
Nach der Entlastung durch die Fertigstellung der Ostumfahrung und des Autobahnzubringers sind hier deutlich stadtraumverträglichere Lösungen möglich, die der besseren räumlich-funktionalen Verknüpfung der Stadtteile ungemein entgegen kommen würden. Diese umfassenden Umbaumaßnahmen werden, insbesondere was eine Veränderung der Gleislage anbetrifft, den zeitlichen und finanziellen Rahmen des Modellvorhabens insgesamt möglicherweise überschreiten. Sie müssen aber schon heute planerisch in allen ihren Konsequenzen durchdacht und vorbereitet werden. Eine Umsetzung wichtiger Teilabschnitte soll jedoch bereits im Rahmen des Modellvorhabens realisiert werden.
Neue Mobilitätsangebote (z.B. Car-Sharing, E-Autos, E-Bike-Sharing, Lastenräder) werden in anderen Stadtteilen zunehmend angeboten und erfreuen sich steigender Nachfrage. In den Großwohnsiedlungen ist die Nachfrage nach Auskunft der in Erfurt tätigen Anbieter noch gering. Im Zuge des Modellvorhabens sollen durch gezielte, teilweise auch temporäre Angebote, hier das Interesse und die Bereitschaft der Anwohnerinnen und Anwohner er-höht werden. Ziel soll es sein, dass sich im Fortgang des Modellvorhabens diese Angebote nachhaltig im Erfurter Südosten etablieren.
Im Rahmen des Forschungsprojektes "Mobilität in Städten – SrV (System repräsentativer Verkehrsbefragungen) 2018" der Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik an der Technischen Universität Dresden zeigt sich mit Blick auf Erfurt, dass die Verfügbarkeit und Nutzung des Fahrrades als Verkehrsmittel in den Erfurter Plattenbaugebieten – so auch in den Stadtteilen Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg und Buchenberg – gegenüber dem Stadtzentrum deutlich niedriger ist. So liegt die Fahrradverfügbarkeit in den Plattenbaugebieten bei 47,9 % und im Stadtzentrum bei 71,8 %. Auch die tägliche Nutzung des Fahrrades fällt in den Erfurter Plattenbaugebieten mit 3,9 % deutlich niedriger aus als im Stadtzentrum mit 29,4 %. Die tägliche Nutzung des PKWs als Verkehrsmittel verhält sich hingegen umgekehrt: In den Plattenbaugebieten nutzen 29,7% der Befragten täglich den PKW, im Stadtzentrum jedoch nur 17,9 %.
In Hinblick auf den Erfurter Südost könnte ein Grund der vergleichsweise geringen Fahrradnutzung in der topografischen Situation liegen, die durch zahlreiche Höhenunterschiede gekennzeichnet sind und damit das Radfahren für Viele unattraktiv macht. Abhilfe soll ggf. der Einsatz von E-Bikes schaffen, der es u.a. älteren Menschen ermöglicht, Alternativen zum motorisierten Individualverkehr zu finden. Dies soll im Rahmen des Modellvorhabens erprobt werden.
Zusammenfassend sind somit die folgenden Ziele des Modellvorhabens definiert:
Grenzen sozialräumlich und baulich überwinden und Stigmatisierung durch Aufenthaltsqualität entgegenwirken
Neuordnung und Transformation unter Berücksichtigung der Klimaanforderungen
Schaffung lebendiger Stadtteile als Multifunktionsräume
Stadtstrukturelle Neuausrichtung der öffentliche und halböffentlichen Freiräume und Grünflächen
Entwicklung zukunftsfähiger Infrastrukturen und Mobilitätskonzepte
Mit dem im vorigen Kapitel erläuterten Zielen verfolgt die LH Erfurt den Ansatz städtebaulich unterschiedliche Strukturen miteinander behutsam zu verbinden. Dies soll durch städtebauliche, sozialräumliche, freiraumgestaltenden Maßnahmen erfolgen.
Der strategische Ansatz des Erfurter Modellvorhabens setzt im Wesentlichen auf verbindende Strukturen über die vier Stadtteile hinweg, die vorrangig und schwerpunktmäßig durch freiraumgestaltende Maßnahmen, ergänzt durch städtebauliche Interventionen, erfolgen. Eine weitergehende Versiegelung im Programmgebiet soll dabei vermieden wer-den.
Es handelt sich dabei um einen längerfristigen Prozess, der im Rahmen des Modellvorhabens zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung lediglich angestoßen werden kann. Die im Zeitraum des Modellvorhabens umgesetzten Maßnahmen und planerisch entwickelten Zielsetzungen müssen eine solche Strahlkraft besitzen, dass sie die weitere über den Projektzeitraum hinausgehende Umsetzung vorbereiten und als langfristige Ziele für den Erfurter Südosten bestehen bleiben.
Im fortlaufenden Konkretisierungsprozess des Modellvorhabens wurde jedoch sehr schnell deutlich, dass es neben langfristigen Zielen auch Maßnahmen geben muss, die kurz- bzw. mittelfristig bis 2026 umgesetzt werden können und bereits wesentlich zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation beitragen. Ebenso wurde deutlich, dass eine räumliche Konzentration der Maßnahmen zielführend ist.
Das Kernstück des Modellvorhabens – das Handlungsfeld 2 "Neue Mitte Südost" – beinhaltet umfassende verkehrliche, städtebauliche und freiraumgestaltende Planungsansätze, die den Zeithorizont des Modellvorhabens bei Weitem überschreiten. Die "Neue Mitte Südost" muss im Rahmen des Modellvorhabens als Beginn eines langen, über 30-jährigen, Weges gesehen werden. Mit Hilfe eines städtebaulichen Planungswettbewerbs, der sich genau mit dem Gebiet auseinandersetzt, in dem die "inneren Rückseiten" der vier Stadtteile aufeinandertreffen, sollen völlig neue Horizonte eröffnet werden. Für den Erfolg des Prozesses ist hierbei entscheidend, dass die langfristigen Planungsziele und die Vision für die Entwicklung der "Neuen Mitte Südost" von den im Gebiet Wohnenden mitgetragen wer-den. Das gemeinsame Verständnis dafür, dass es neben kurzfristig umzusetzenden Ideen insbesondere umfassender stadtstruktureller Transformationen bedarf, die auf mehrjährige Entwicklungszeiträume ausgerichtet sind, gilt es im Rahmen des Modellvorhabens in einem umfassenden Beteiligungsprozess zu entwickeln.
Die Handlungsfelder 3 bis 7 gruppieren sich räumlich betrachtet rings um das Handlungsfeld "Neue Mitte Südost". Als verbindendes Element zwischen den Handlungsfeldern und Stadtbausteinen fungiert dabei der Freiraum als Flächenpotential.
Somit zeigt sich, dass dem öffentlichen Freiraum und der angestrebten Aufwertung und Verbesserung der Nutzbarkeit im Rahmen des Modellvorhabens eine gesonderte Bedeutung zukommt. Folgerichtig liegt der Schwerpunkt der Bestandsanalyse, der Defizit- und Potentialanalyse sowie der Zielplanung auf dem Handlungsfeldes 3 "Nahtstellen zwischen Großwohnsiedung, Dorfstruktur und angrenzendem Landschaftsraum". Die übrigen Handlungsfelder 4 – 7 ("Ergänzung aktivierender sozialer Infrastruktur", " Anpassung an den Klimawandel", "Mobilitätsstationen" und "Neugestaltungperipherer Freiräume im Ergebnis der Bürgerbeteiligung") fügen sich harmonisch in den Projektraum ein und werden mit- und untereinander durch tangierende Maßnahmen verbunden.
Aufzeigen von Potentialen und Defiziten
Formulieren städtebaulicher Handlungsansätze mit dem Fokus auf städtebauliche Betrachtung , Infrastrukturvorhaben und Freiraumplanung
Planerische Vernetzung von Großwohnsiedlung, Dorfstruktur und angrenzendem Landschaftsraum
Klare Abgrenzung der einzelnen Projektgebiete
Modulare Projektentwicklung
Herausarbeiten von zeitnah realisierbaren Projekten
> prägnanter Wechsel der Bebauungsstruktur (Dorfstruktur-Gewerbegebiet, Übergang zur Großwohnsiedlung)
(2) Aral-Tankstelle Kreuzung Am Herrenberg/Rudolstädter Straße
> deutliche Wahrnehmung des Stadtteils Südost (Blickbezug zur Kammlinie des Herrenberges)
(3) Kreuzung Am Herrenberg/Konrad-Adenauer-Straße
> Änderung der Nutzung: Landwirtschaft -> Wohnen/Gewerbe
(4) Urbicher Kreuz
> Änderung der Nutzung: Landwirtschaft -> Wohnen/Gewerbe
Weiterhin befinden sich zahlreiche Einrichtungen der sozialen und Versorgungs-Infrastruktur im Gebiet des Modellvorhabens. Es wurden insbesondere kommunale Spiel- und Bolzplätze, Supermärkte, Kindertagesstätten, Schulen, Sportstätten, Seniorenheime und Straßenbahnhaltestellen kartiert, da diese Einrichtungen wichtige Zielorte der Bewohnerschaft und der Besucherinnen und Besucher des Gebietes sind und entsprechend in die weiteren Planungen einfließen werden.
2.5.2 Defizit -und Potentialanalyse
In einem nächsten Arbeitsschritt wurde die Bestandsanalyse um eine Analyse der Defizite und Potentiale im Projektgebiet ergänzt. Es wurden insbesondere sogenannte Zielpunktdefizite, defizitäre Wegeverbindungen aber auch Flächen mit positiven Entwicklungschancen ermittelt. Diese sind sowohl im Plangebiet, als auch an dessen Peripherie verortet.
Als Zielpunktdefizite sind Gebiete, Punkte oder Angebote zu verstehen, die über ein gewisses positives Grundpotential verfügen, jedoch hinsichtlich ihrer Erreichbarkeit, Aufenthalts- und Nutzungsqualität entwicklungsfähig sind. Auch handelt es sich mitunter um Flächen, bei welchen dringender Handlungsbedarf besteht. Defizite bestehen hier vor allem hinsichtlich der Barrierefreiheit, der Ausstattung (Sitzmöglichkeiten, Geländer, Spielgeräte), der Materialbeschaffenheit von Wegen, Treppen und Flächen sowie der technischen Infrastruktur (z.B. unzureichende Beleuchtung).
Flächen und Gebäude ohne bestehende Nutzungen (z. B. das leer stehende Große Herrenbergcenter oder die ehemalige Bibliothek in der Tungerstraße 8) werden ebenfalls als Ziel-punktdefinite bezeichnet, da eine Wiederinanspruchnahme der Objekte geplant ist.
Der Plan zur Defizit- und Potentialanalyse (siehe Abbildung 3) stellt in Rot Verbindungswege dar, die aufgrund von unklaren Wegeverläufen, Wegeabschnitten mit Angsträumen sowie aufgrund gestalterisch steigerungsfähiger Bereiche defizitär sind. Nicht vorhandene, aber notwendige Wegebeziehungen werden ebenfalls aufgezeigt. Dabei gehen Einzelkonflikte teilweise ineinander über oder sind parallel vorhanden.
In engem Zusammenhang damit ist die trennende Wirkung von Straßen für den Fußgänger- und Radverkehr zu betrachten. Die direkt durch das Projektgebiet verlaufende Kranichfelder Straße mit der begleitenden Straßenbahntrasse sowie die Straße Am Herrenberg im Norden stellen ausgesprochene Barrieren dar.
Insbesondere die Kombination aus vierspuriger Hauptstraße und Straßenbahntrasse entlang der Kranichfelder Straße grenzt die Stadtteile Wiesenhügel und Melchendorf im Süden vom nördlich der Straße gelegenen Herrenberg hart ab und stellt somit einen beträchtlichen Überwindungskonflikt direkt im Zentrum des Projektgebietes dar.
Die einzige aus Fußgängersicht kreuzungsfreie, sichere Verbindung zwischen Wiesenhügel und Herrenberg befindet sich eben im Zentrum des Projektgebietes, in Form zweier Unterführungen zwischen den höher liegenden Fahrspuren der Kranichfelder Straße.
Die Unterführungen erschließen gleichzeitig die Straßenbahnhaltestelle "Abzweig Wiesenhügel". Aufgrund der massiven Dämme der Kranichfelder Straße liegt die Haltestelle wie in einer Schlucht zwischen den rund 6m höher verlaufenden Straßenabschnitten. Die unter der Straße durchführenden Fußgängertunnel stellen zudem potentielle Angsträume dar.
Ähnlich defizitär stellt sich die kommunale Spiel- und Sportanlage an der Kranichfelder Straße, nördlich des Wiesenhügels dar. Der Bereich liegt isoliert zwischen der Fahr- und Straßenbahntrasse einerseits und dem steil anstehendenden Nordhang des Wiesenhügels andererseits. Fußläufige Querungen sind nur über die dunklen Unterführungen gegeben. Die Wege zum südlichen Großsiedlungsteil sind extrem steil und von maroden Wegen und Treppen gekennzeichnet. Der sehr dichte Baumbestand mit seinen tief reichenden Kronen und dichte Strauchflächen verdunkeln den Freiraum und behindern den Blick. Die vorhandenen Spielgeräte sind trotz Pflege verschlissen oder mussten aufgegeben werden. Fahrzeuglärm mindert die ohnehin schon geringe Aufenthaltsqualität. Die unwirtliche Situation und die räumliche Lage bieten Raum für Kriminalität und Vandalismus.
Weitere Bereiche mit nachteiliger Barrierewirkung stellen das nordöstlich an das Projekt-gebiet angrenzende Industrie- und Gewerbegebiet sowie der südlich gelegene Truppenübungsplatz dar. Fuß- und radläufige Durchdringungen sind kaum bis gar nicht möglich, Blickbezüge nicht vorhanden. Gleichzeitig bildet das Industrie- und Gewerbegebiet als Arbeitsort mit intensivem Fahrverkehr einen Zielpunkt.
Zudem stehen sich Gewerbegebiet, Wohnbebauung der Großsiedlung, Katholisches Krankenhaus und die dörfliche Ortslage Windischholzhausen in einem harten Bruch hinsichtlich Städtebau und Flächennutzung unmittelbar gegenüber. Alle weiteren defizitbehafteten Flächen stellen Potentialräume für freiraumplanerische Entwicklungen dar. Die Quell- und Zielorte sind über das gesamte Projektgebiet verteilt. Mit deren nutzergerechten Verbindung untereinander kann es gelingen, die einzelnen Stadtteile miteinander und mit dem Umland zu vernetzen.
Ausgehend von der Defizit- und Potentialanalyse wird der Zielplan abgeleitet, der im folgenden Kapitel erläutert wird.
2.5.3 Zielplanung
Methodisch basiert die Zielplanung auf drei Grundpfeilern: der Formulierung von Frei-raumschwerpunkten, die in Projektflächen gefasst wurden, der Verbesserung der defizitären Wegeverbindungen und dem Abbau von Barrieren innerhalb des Betrachtungsraumes und an seinen Rändern.
Freiraumschwerpunkte
Resultierend aus den in Abbildung 3 dargestellten Potentialflächen ergeben sich in Abbildung 4 konkrete Projektflächen räumlich begrenzt durch städtebauliche und/oder natur-räumliche Strukturen bilden die jeweiligen Projektgebiete die Ausgangspunkte für nach-folgende Planungen.
Zur Vernetzung mit angrenzenden Strukturen wurden zusätzlich größer gefasste Entwicklungsräume festgelegt, welche Potential zur Fortentwicklung über die Projektflächen hin-aus bieten. Das darin enthaltene Maßnahmenspektrum erstreckt sich von Vorhaben zur barrierefreien bzw. barrierearmen Erschließung, über Freiraumgestaltungen und Aufwertung der Aufenthaltsqualität bis hin zu klassischer Landschaftsplanung an der Peripherie des Projektgebietes sowie der Weiterentwicklung von Spiel- und Sportanlagen.
Standortspezifische Lösungen zum Regenwassermanagement bilden hierbei einen ebenso wichtigen Baustein wie an den Klimawandel angepasste Freiraumgestaltungen. Neben möglichst großflächigen Entsiegelungen können in diesem Zusammenhang unter anderem Zisternen, Versickerungsanlagen und Gründächer als Pufferspeicher für anfallende Niederschläge geplant werden. Dies begünstigt einerseits den nachhaltigen Umgang mit Niederschlagswasser und fördert gleichzeitig die ökologisch nachhaltige Brauchwassernutzung. Als Maßnahmen zur freiraumplanerischen Reaktion auf den Klimawandel kann z.B. die gezielte Verdichtung von Grünstrukturen in Verbindung mit der Schaffung schattiger Aufenthaltsflächen mit hoher Aufenthaltsqualität angeführt werden. Zur Optimierung der Freiraumstrukturen ist es weiter denkbar, behutsam bestehende Freiraumelemente zurückzunehmen, um Flächen optisch zu öffnen und die Biodivesität zu fördern. Bei Neupflanzungen werden die Ergebnisse zur Erprobung klimaresilienter Arten berücksichtigt.
Aufwertung defizitärer Wegeverbindungen
Neben der Entwicklung der eigentlichen Teilprojekte ist insbesondere die Verbindung der Zielorte für das Zusammenwachsen der vier Stadtteile von essentieller Bedeutung. Zur Optimierung konfliktreicher Wegeverbindungen sind auf die jeweilige Problematik angepasste Lösungen zu entwickeln. So sind deutliche Definitionen von Anfangs- und Endpunkten notwendig, Wege- und Treppenverläufe müssen dementsprechend ertüchtigt und mit-unter neue Verbindungen geschaffen werden. Dabei stellt die Topographie des Planungsgebietes besonders hohe Anforderungen an praktikable Lösungen zur möglichst barrierefreien oder -armen Überwindung der gegebenen Höhenunterschiede. Wie im Falle der Projektflächen stehen auch hier klimatechnisch vorausschauende und hinsichtlich der Regenrückhaltung innovative Planungen im Vordergrund.
Abbau von (Wege-)Barrieren
Der Abbau von Wegebarrieren bzw. Erleichterungen zum Überwinden von Hindernissen stellt ein weiteres Ziel mit Blick auf die Qualifizierung des Freiraums dar. Dabei stehen sowohl die Verbesserung von Querungen großer Straßen (Kranichfelder Straße, Am Herrenberg) als auch Aufwertung kleinerer Passagen wie dem der Treppe am Muldenweg im Fokus der Betrachtungen.
Die Lösungsansätze erstrecken sich von punktuellen Freiraumgestaltungen in Form von Begleitgrün zur indirekten Wegeführung, über die Ertüchtigung und Optimierung von Treppensituationen bis hin zu möglichen Brückenlösungen als Querungshilfe über die Straße Am Herrenberg.
Diese punktuellen Maßnahmen stellen ein wichtiges Bindeglied zur Vernetzung des Wegesystems im Projektgebiet dar. Dies kommt insbesondere im Projekt "Neue Mitte Südost" zum Tragen. Zur deutlichen Verbesserung der geschilderten Defizite wird aus Sicht der Freiraumplanung der Rückbau der rund 60 m breiten Verkehrstrasse auf das notwendige Minimum angestrebt. Damit greift das Modellvorhaben einen weiteren für die Landeshauptstadt Erfurt wegweisenden Ansatz der nächsten Jahre auf. Es ist geplant, bis 2024 die Clara-Zetkin-Straße, welche sich in nördlicher Verlängerung der Kranichfelder Straße befindet von vier auf zwei Fahrspuren zu Gunsten der Anordnung umfassender Grünstrukturen und daraus resultierender klimatischer Verbesserung zu reduzieren. Die Übertragung dieses Konzeptes auf das südliche Ende der Kranichfelder Straße gibt damit einen zweiten Startpunkt zur langfristigen Begrünung und Beruhigung des gesamten rund 3 km langen Straßenzuges sowie zu besseren Vernetzung der angrenzenden Stadtteile.
2.6 Handlungsfelder und räumliche Schwerpunkte
An dieser Stelle werden die beiden Kapitel 2.4 Ziele und Kapitel 2.5 Strategischer Ansatz miteinander verschnitten. Wie bereits veranschaulicht, bildet der öffentliche Freiraum die verbindende, übergreifende Struktur aller Handlungsfelder, die betrachtet und mit Projekten unterlegt werden.
Ausgehend von der umfänglichen Bestandsanalyse, Defizit- und Potentialanalyse sowie Zielplanung einerseits und der Definition der Ziele des Modellvorhabens andererseits kristallisieren sich 7 räumlich-inhaltliche Handlungsfelder (siehe Abbildung 5) heraus, die mit Hilfe eines umfassenden Portfolios ganz unterschiedlicher Maßnahmen und Interventionen darauf abzielen, den sich weiter verstärkenden Segregationstendenzen zwischen den benachteiligten, sich abgehängt fühlenden Stadtteilen und dem Rest der Stadt entgegenzuwirken.
Dem Grundanliegen des Projektes folgend liegt der räumliche Schwerpunkt an den Naht-stellen und Bruchkanten zwischen den vier Stadtteilen ("innere Ränder"), wobei der intensivste Handlungsbedarf eindeutig im Bereich der Kranichfelder und Haarbergstraße, dem großen Herrenberg-Center sowie der Straße Am Wiesenhügel liegt (Handlungsfeld 2 "Neue Mitte Südost").
Die zuvor dargelegte freiraumplanerische Betrachtungsweise findet sich in den Handlungsfeldern 3 "Nahtstellen zwischen Großwohnsiedung, Dorfstruktur und angrenzendem Landschaftsraum" und teilweise Handlungsfeld 4 "Ergänzung aktivierender sozialer Infra-struktur" wider. Die Hochbaumaßnahmen aus dem Handlungsfeld 4 werden durch die neue Freiraumstruktur miteinander verbunden. Die Erreichung des spezifischen Ziels Neuordnung und Transformation unter Berücksichtigung der Klimaanforderungen soll innerhalb des Handlungsfeldes 5 "Anpassung an den Klimawandel" erfolgen und das Ziel Entwicklung zukunftsfähiger Infrastrukturen und Mobilitätskonzepte wird im Rahmen des Handlungsfeldes 6 "Mobilitätsstationen" erfolgen.
Den organisatorisch-inhaltlichen Rahmen für die Handlungsfelder 2 bis 6 bilden die Handlungsfelder 1 und 7. So sollen mit Handlungsfeld 1 " Vorbereitung, Evaluierung, Beteiligungsprozess" die personellen Grundfesten für eine erfolgreiche Umsetzung des Modellvorhabens – begleitetet durch eine umfassende Evaluierung und einen weitreichenden Beteiligungsprozess – geschaffen werden. Handlungsfeld 7 "Neugestaltung peripherer Freiräume im Ergebnis des Beteiligungsprozesses" eröffnet darüber hinaus Spielraum für die Realisierung von Ergebnissen, die erst im Laufe des Beteiligungsprozesses, gemeinsam mit der Bewohnerschaft entwickelt werden.
In den nachfolgenden Kapiteln werden die einzelnen Handlungsfelder weitergehend erläutert. Idee ist es, dass die Handlungsfelder bzw. Projekte in jeweils einen Zuwendungsantrag im Rahmen des Modellvorhabens überführt werden.
2.6.1 Handlungsfeld / Projekt 1: Vorbereitung, Evaluierung, Beteiligungsprozess
Im Kontext des Gesamtvorhabens beinhaltet das Handlungsfeld 1 die rahmengebenden, übergeordneten und konzeptionellen Inhalte wie Personal, Evaluierung/Monitoring und den umfänglichen Beteiligungsprozess. Diese drei Bestandteile stellen eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Modellvorhabens dar und steuern und begleiten die Umsetzung der Einzelmaßnahmen (Bürgerbeteiligung) und ermitteln die Auswirkungen (Evaluierung/Monitoring) des Modellvorhabens.
Für die Vorbereitung und Umsetzung des Modellvorhabens ist die projektgebundene und befristete Einstellung von zwei Planer/innen und einem/einer Statistiker/in erforderlich, da es sich beim Modellvorhaben um ein neues, zusätzliches Projekt handelt, das nicht mit dem vorhandenen Personal in der Stadtverwaltung Erfurt umgesetzt werden kann.
Durch die wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung des Modellvorhabens sollen entscheidende Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Städtebauförderung allgemein als auch für die Stadtentwicklung in Erfurt gewonnen werden. Insbesondere die gezielte und gebündelte Umsetzung städtebaulicher Maßnahmen innerhalb städtebaulich kontroverser Strukturen sollen wesentlich zu einem Kenntnisgewinn beitragen. Die Evaluierung soll durch ein extern zu beauftragendes, auf diese Tätigkeiten spezialisiertes Büro erfolgen. Dieses Büro ist auch für die Erstellung des Indikatorenkatalogs sowie den Aufbau und Auswahl der anzuwendenden Instrumente im Rahmen der Evaluierung zuständig. Die Vergabe zur Evaluierung erfolgt über ein VGV-Verfahren. Aus der Verwaltung heraus soll dieses Büro durch eine neu zu schaffende befristete Personalstelle innerhalb der Verwal-tung unterstützt werden, um den direkten Zugriff auf Statistiken, Quellen etc. auf Grund-lage des Thüringer Statistikgesetzes sicherstellen zu können.
Den auch in Erfurt zu beobachtenden Segregationstendenzen zwischen den benachteilig-ten, sich abgehängt fühlenden Stadtteilen und dem Rest der Stadt, soll mit einem Bündel an Maßnahmen entgegengewirkt werden. Erfolgsaussichten dafür wird es jedoch nur ge-ben, wenn diese Maßnahmen mit der Bevölkerung, den dort Wohnenden, Arbeitenden, En-gagierten gemeinsam entwickelt werden. Hier bedarf es, insbesondere aufgrund der be-sonderen Problematik sowohl der städtebaulich unterschiedlichen Kontextes (Dorfstruktu-ren – Großwohnsiedlung) als auch der überdurchschnittlich rechtsextremistisch geprägten Überzeugungen im Projektgebiet einer besonderen Sensibilität im Prozess der Bürgerbetei-ligung.
Der damit für den Erfolg des Projektes von überaus großer Bedeutung voranzustellende und begleitende Bürgerbeteiligungsprozess sowie die diesen tangierende Öffentlichkeits-arbeit muss an ein darauf spezialisiertes Büro, ggf. eine Arbeitsgemeinschaft aus Fachleu-ten verschiedener Genre, vergeben werden. Erfahrungen auch in Bezug auf die neuen pan-demiebedingten Anforderungen an Beteiligungsprozesse sollen hierbei auch exemplarisch gesammelt werden.
Kennziffern
Laufzeit: | 2022 - 2026 | ||
Gesamtkosten: | 2.000.000 EUR | ||
Zusammensetzung der Kosten: |
Personal | 1.160.000 EUR | |
Evaluierung | 325.000 EUR | |
Beteiligungsprozess | 500.000 EUR | |
Dienstreisen | 15.000 EUR |
Beteiligte Akteure:
• Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung |
2.6.2 Handlungsfeld / Projekt 2: Neue Mitte Südost
Die Schwerpunktsetzung des Modellvorhabens liegt auf der Entwicklung einer Strategie zur grundlegenden Neuordnung des heute weitgehend vom motorisierten Individualverkehr dominierten Straßenraums im Bereich Kranichfelder Straße und Haarbergstraße.
Die Stadtteile Herrenberg, Wiesenhügel, Melchendorf und Drosselberg werden durch die Verkehrsanlagen (Straße und Straßenbahn) voneinander getrennt und führen zur Herausbildung von nebeneinander existierenden Insellagen. Die topografischen Verhältnisse vor Ort unterstützen diese Verinselung ebenfalls.
Mit dem Ziel, die isolierten Stadtteile wieder miteinander in Verbindung zu setzen und eine deutliche Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Freiraum sowie eine Verkehrsberuhigung zu erzielen, um mehr Platz für barrierefreien Fußverkehr und sicheren Radverkehr zu schaffen, soll eine "Neue Mitte" für den Erfurter Südosten entwickelt werden. Der inhaltliche Fokus spiegelt sich folglich auch monetär in den Anträgen, die entsprechend der Handlungsfelder / Projekt gestellt werden, wider.
Die "Neue Mitte Südost" soll unmittelbar an den Nahtstellen und Bruchkanten zwischen den vier Stadtteilen ("innere Ränder") verortet werden. Dieser Bereich ist vergleichbar mit einer "Transitzone" – ein öffentlicher Raum zum "Durchfahren und Durchqueren" auf dem Weg in die umliegenden Stadtteile. Dieser Gesamteindruck wird maßgeblich von den die Stadtteile trennenden, in Tallage liegenden üppigen Verkehrsanlagen hervorgerufen.
Somit ist es die logische Konsequenz, den intensivsten Handlungsbedarf eindeutig im Be-reich des Verkehrsknotens der Kranichfelder Straße, Haarbergstraße, der Straße Am Wiesenhügel sowie der Straßenbahnhaltestelle / Gleisdreieck der EVAG auszumachen. Diese wirken durch Lage, Führung und Dimensionierung unmittelbar an der Nahtstelle zwischen den Stadtteilen als Barriere und Zäsur – die es aufzubrechen gilt.
Hergestellt in einer Zeit, als der Motorisierungsgrad bei ca. 200 PKW je 1.000 Einwohnern lag und die Fahrleistung der PKW's weit unter den heutigen Kilometerleistungen blieb, wurde neben der Trennwirkung durch die Bauwerke selbst mit Anwachsen der Verkehrs-mengen die Barrierewirkung wesentlich erhöht. Somit ergibt sich zwangsläufig ein Prüfauftrag für die vorhandenen Anlagen des Motorisierten Verkehrs, die die Haltestelle ein-schließen und Querbarkeit nur über zwei Tunnel ermöglichen. Dimensionierung, Breite, Fahrspuranzahl, Geschwindigkeit, Querbarkeiten seien beispielhaft genannt.
Angestrebte Veränderungen müssen mit einer deutlichen Verbesserung der Aufenthaltsqualität und einer deutlichen Verkehrsberuhigung im Bereich Haarbergstraße / Melchendorf einhergehen und mehr Platz für barrierefreien Fußverkehr und sicheren Radverkehr im Längsverkehr aber auch bei Querung der Tallage versprechen. Da das zentrale Brückenbau-werk über die Stadtbahn zustandsbedingt zeitnah ersetzt werden muss, besteht dringen-der Handlungsbedarf, der für eine zukunftsfähige nachhaltige und sichere Lösung genutzt werden kann. Dabei muss die grundsätzliche Prüfung mit weitergehenden Untersuchungen der Fachthemen, wie Barrierefreiheit, Sicherung des Fußgänger- und Radverkehrs, Sicherung des ÖPNV einhergehen.
Für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ist die Querung der verkehrlichen Anlagen zu Fuß kaum möglich und wesentliche Ziele sind nur durch Nutzung der Straßenbahn erreichbar. Dies widerspricht den grundlegenden Anforderungen an die Barrierefreiheit in der LH Erfurt, ist der Entstehungszeit geschuldet, jedoch grundsätzlich nicht mehr tolerier-bar, da Handlungsrichtlinien heute wesentliche Standards festlegen. Die bestehenden An-lagen sind somit einem Prüfverfahren zu unterziehen, in dessen Folge Maßnahmen zur Erreichung der Barrierefreiheit im Konzept aber auch im Detail festzulegen sind. Im Prozess gilt es sich über die Querbarkeit von Straßen, Längsneigungen, Oberflächen und Leitsysteme, taktile Element sowie über die Gestaltung von Stadtmobiliar zu verständigen.
Vergleichbare Defizite liegen bei den Anlagen des Radverkehrs vor. Neben fehlenden Netzstrukturen sind vorhandene Anlagen zu prüfen und auf die neuen Ziele auszurichten. Dabei sind die Radverkehrsmengen bis zu einem gewissen Grad abhängig von den baulichen Angeboten und der zu gewährleistenden Sicherheit. Neben baulichen Maßnahmen sollte das Modellvorhaben auch genutzt werden, um mit bekannten und neuen Argumenten an der Erhöhung der Fahrradnutzung im Projektgebiet zu arbeiten.
Der Handlungsbedarf beim ÖPNV konzentriert sich vor allem auf die Lage und Erreichbarkeit der zentralen Haltestelle. Die beiden Zugänge und auch die Anlage selbst sind als Angsträume zu bezeichnen und nachts nicht für jeden Personenkreis nutzbar.
Mit dem Ziel, im Vorfeld des geplanten Wettbewerbs "Neue Mitte Südost" tatsächliche Handlungsspielräume zu ermitteln, wurde ein Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse Ende 2021 vorliegen werden. Dieses Gutachten soll eine wesentliche Grundlage für den Wettbewerb und Planungsanforderungen bilden. Die Gutachter haben die Aufgabe, den Bestand und eine Entwicklung unter Beachtung heute vorhandener Anlagen zu untersuchen, um anschließend 3 Szenarien zu entwickeln. Nach Erörterung der Planungsvarianten werden auch diese verkehrlich untersucht.
Unter Beachtung der Prüfergebnisse für die vorhandenen Verkehrsanlagen muss an der Schaffung neuer Ziele im geometrischen Mittelpunkt gearbeitet werden. Gefunden werden soll ein langfristiges, in Abschnitten umsetzbares Konzept für den zentralen grünen Be-reich, der übergreifend ausstrahlt, alle angrenzenden Stadtteile erreicht und sich aufgrund seiner Qualitäten von bestehenden Grünstrukturen und öffentlichen Räumen abhebt. Zur Belebung der "Neuen Mitte Südost" sind neue Funktionen mit Aufenthaltsqualität, wie etwa Sportanlagen mit vielfältigen Nutzungsangeboten und Spielplätze, zu genieren, die sowohl die Bewohnerschaft als auch Besucherinnen und Besucher ansprechen.
Voraussetzung für eine derart konsequente Umsetzung der Ziele ist die Verlagerung bzw. der Umgang mit der Kindertagesstätte Am Sibichen. Der DDR-Typenbau trennt den Frei-raum zwischen dem Stadtteil Herrenberg und der alten Ortslage Melchendorf und unter-bindet damit wesentliche Möglichkeiten der Vernetzung. Deshalb wird die zur Kindertagesstätte im Rahmen des Wettbewerbs angebotene Lösung entscheidend für den Erfolg der Umstrukturierung sein. Die Stadt Erfurt visiert einen Ersatzneubau in unmittelbarer Nähe der bestehenden Kindertagesstätte an, der eine neue Aufteilung und Strukturierung des öffentlichen Raumes ermöglicht.
Neben der Kita s sind auch die Gebäude an der Adresse Kranichfelder Straße 157 dem Ge-danken der Öffnung der zentralen Mitte abträglich. Dieser Altbestand der dörflichen Struktur Melchendorf liegt heute separiert an der Verkehrsanlage und bietet vor allem durch den Lärm wenig Lebensqualität. Zielführend wäre es auch hier, eine Verlagerung der bestehen-den Wohn- und Gewerbenutzung (Reisebüro) zu organisieren, möglicherweise auch im unmittelbaren Umfeld.
Einen dritten wesentlichen Baustein zur Schaffung der "Neuen Mitte Südost" bildet die Einbindung des Großen Herrenbergcenters in der Stieler Straße 1. Mit einer grundsätzlich veränderten – möglichst barrierefreien bzw. barrierearmen – Erschließung und Raumbeziehung zum Umfeld des ehemaligen Einkaufs- und Versorgungszentrum soll ein wesentlicher Qualitätssprung erreicht werden. Denkbare wäre auch, das Erdgeschoss im Zuge des durch einen potentiellen privaten Investor anvisierten Umbaus zu einem Seniorenwohnobjekt, mit öffentlichen Funktionen (z.B. Kita, städtische Sozialberatungen, Stadtteilbibliothek) zu belegen, um die Öffentlichkeitswirksamkeit zu erhöhen.
Die städtebauliche Neuordnung des zentralen Übergangsbereichs Am Sibichen / Großes Herrenberg-Center– Haarbergstraße – Schulzenweg rundet nach heutiger Erkenntnis das Bild der "Neuen Mitte Südost" ab.
Die Herausbildung des langfristigen Planungs- und Entwicklungsansatzes für die "Neue Mitte Südost" einhergehend mit der Schaffung einer Identifikation der Bewohnerschaft mit den angedachten Maßnahmen soll über die Auslobung eines internationalen Wettbewerbs beantwortet werden.
Aus der Betrachtung der Situation ergeben sich zahlreiche Lösungsansätze, die allesamt Verbesserungen versprechen und die auf Qualität und Realisierbarkeit geprüft werden sollen. Ziel des Wettbewerbs wird es sein, Ideen für die "Neue Mitte Südost" zu entwickeln. Die Stadt Erfurt erhofft sich Lösungen und Ideen, die die ganze Bandbreite der Möglichkeiten darstellt und untersucht.
Die Vorbereitungen für das Wettbewerbsverfahren, welches als offener städtebaulicher Ideen- und Realisierungswettbewerb durchgeführt wird, erfolgen in 2021, so dass die Auslobung des Wettbewerbs in 2022 anschließt. Vorgesehen ist eine Durchführung des Wettbewerbs im Rahmen eines VgV-Verfahrens mit vorgeschaltetem Wettbewerb.
Im Anschluss an die Ideenfindung werden für drei noch zu definierende Bereiche drei VgV-Verfahren nachgeschaltet. Dabei stellt die Ausformulierung der Wettbewerbsauslobung eine besondere Herausforderung dar, denn die Wettbewerbsergebnisse sollen für drei Realisierungsabschnitte umsetzbar sein. Im Plan (siehe Abbildung 7) sind drei mögliche Umsetzungsschwerpunkte dargestellt.
Thematisch handelt es sich dabei um:
Umbau der Verkehrsanlagen der Kranichfelder Straße/ Haarbergstraße und der Ingenieurbauwerke und Freianlagen (blau)
Umbau der Freianlagen in der zentralen Mitte mit Sibichen, Freianlagen Großes Herrenbergcenter, heutige Freifläche der Kindertagesstätte und Friedhof in Ab-schnitten und unter Beachtung der Restnutzungsdauer des Friedhofs und Schaffung einer qualitativ angemessenen Zugänglichkeit der Haltestelle (grün)
Umbau der Freianlagen und Verkehrsanlagen für den Platz am Kreuzungspunkt Schulzenweg / Am Sibichen, der Haarbergstraße und der Freifläche am Bürgerhaus Melchendorf (orange)
In der anschließenden Diskussion mit dem Preisgericht und Vertreterinnen und Vertretern aus der Bürgerschaft sollen ein Zielkonzept gefunden und die drei konkreten Umsetzungsbereiche gemeinsam bestimmt werden. Das Ergebnis soll im Anschluss im Rahmen des Beteiligungsprozesses mit der Bewohnerschaft und sonstigen Interessierten diskutiert wer-den.
Auch die Vorstellung und offene Diskussion des Wettbewerbs-Auslobungstextes erfolgt unter Einbeziehung der Öffentlichkeit. In Verbindung mit der Diskussion der Auslobung will die Stadt Erfurt dem Anspruch der Einbeziehung und Mitsprache der Anwohnerschaft – auch unter dem Druck veränderter Zeitvorgaben – gerecht werden.
Aufgrund der Langfristigkeit des umfassenden stadtstrukturellen Umbaus in der "Neuen Mitte Südost", wird deutlich, dass das Modellvorhaben hier nur ein erster Schritt sein kann. Die vollständige Umsetzung der Wettbewerbsergebnisse wird nur über einen längeren Zeitraum realisiert werden können. Auch die entstehenden Kosten gehen über das vorhandene Budget hinaus.
Im Rahmen des Modellvorhabens muss deshalb sichergestellt werden, dass ein erster Bau-abschnitt diese Veränderungen einleitet und positive Ansätze schafft, die allseits die Bereitschaft und Notwendigkeit der weitergehenden Umsetzung erzeugt sowie von der Erforderlichkeit der weiteren Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel überzeugt.
Kennziffern
Laufzeit: | 2021 - 2026 | ||
Gesamtkosten: | 26.201.165 EUR | ||
Zusammensetzung der Kosten: | Wettbewerb "Neue Mitte" | 300.000 EUR | |
Rückbau Kita, Am Sibichen 3 | 445.000 EUR | ||
Ersatzneubau Kita, Am Sibichen 3 | 5.000.000 EUR | ||
Umgestaltung Verkehrsknoten | 14.956.165 EUR | ||
Freiflächengestaltung Neue Mitte | 5.000.000 EUR | ||
Freiflächengestaltung Bürgerhaus | 500.000 EUR |
2.6.3 Handlungsfeld / Projekt 3: Nahtstellen zwischen Großwohnsiedlung, Dorfstruktur und angrenzendem Landschaftsraum
Im Handlungsfeld "Nahtstellen zwischen Großwohnsiedlung, Dorfstruktur und angrenzen-dem Landschaftsraum" werden öffentlich nutzbare Freiräume in den Fokus gerückt, die in besonderer Weise von der unmittelbaren Koexistenz baulich-räumlicher Strukturen, die gegensätzlicher kaum sein könnten, gezeichnet sind und derzeit harte Grenzen im Stadt-raum bilden.
Durch die Neugestaltung und Verbindung von Grünzügen, Grünflächen, Wegen, Straßen und öffentlichen Plätzen sollen einerseits neue Qualitäten in der Gestaltung der inneren Rückseiten erprobt werden und durch das Zusammendenken der Strukturen andererseits die eingangs beschriebenen Segregationstendenzen, die sich u.a. in den unterschiedlichen baulichen Strukturen abbilden, abgemildert werden.
Im Ergebnis der Analysen und grundlegenden Zielplanungen wurden konkrete freiraum-planerische Projektflächen mit Veränderungs- und Entwicklungspotential herausgearbeitet. Neben dem Fokus auf die "Vernähung" der Stadtteile, sind insbesondere die klimatisch nachhaltige Planung und der hohe qualitative Anspruch an die öffentliche Nutzbarkeit der Projektflächen von Bedeutung.
In diesem Handlungsfeld sollen 10 Maßnahmen realisiert werden, die vier Kategorien zu-zuordnen sind. Einerseits werden zwei Kategorien von Nahtstellen betrachtet: Nahtstellen zwischen Dorf und Großwohnsiedlung sowie Nahtstellen zwischen Bebauungsstruktur und Landschaftsraum. Andererseits werden Maßnahmen in der Kategorie Aufwertung defizitärer Wegeverbindungen sowie Ergänzenden Maßnahmen zusammengefasst:
Kategorien | Maßnahmen |
Nahtstellen zwischen Dorf und Großwohnsiedlung |
|
Nahtstellen zwischen Bebauungsstruktur und Landschaftsraum |
|
Aufwertung defizitärer Wegeverbindungen |
|
Ergänzende Maßnahmen |
|
Drei Maßnahmen finden sich in der Kategorie "Neugestaltung Nahtstellen zwischen Dorf und Großwohnsiedlung" wieder. Die Neugestaltung der Treppe Muldenweg stellt eine Nahtstelle zwischen dem dörflich geprägten Melchendorf und dem Wiesenhügel als Großwohnsiedlungsstruktur dar. An dieser Stelle soll die bestehende Treppenanlage barrierearm umgestaltet und somit für mehr Anwohnerinnen und Anwohner nutzbar gemacht werden und durch eine Verbesserung der Beleuchtung ein sicheres Begehen auch in den Abendstunden ermöglichen. Die Freiflächengestaltung Rabenhügel bildet eine Nahtstelle zwischen dem Stadtteil Daberstedt und der Großwohnsiedlung Herrenberg. Ziel ist es, eine barrierefreie Erschließung und Steigerung der Aufenthaltsqualität in dem Bereich zu er-langen. Die dritte Nahtstelle zwischen Dorf und Großwohnsiedlung stellt die Umfeldgestaltung Judohalle / Melchendorf dar, wo die Dorfstruktur Melchendorfs und Großwohnsiedlungsstruktur des Wiesenhügels zusammentreffen. Angedacht ist an dieser Stelle die gestalterisch-funktionale Verbindung der benachbarten Wohngebiete durch die Entwicklung von Aufenthaltsangeboten sowie die Neuordnung der Freiraumnutzungen und der örtlichen Wegebeziehungen.
Die Kategorie "Nahtstellen zwischen Bebauungsstruktur und Landschaftsraum" wird durch zwei Maßnahmen definiert, die sich im nördlichen und südlichen Bereich des Modellvorhabens ansiedeln. Der Panoramaweg Egstedter Trifft zwischen Drosselberg und Willrodaer Forst, im südlichen Teil von Melchendorf weist ein hohes Freizeit- und Naherholungspotential auf, das derzeit ungenutzt ist und durch die Maßnahme qualifiziert werden soll. Die Maßnahme Herrenberg / Übergang in den Landschaftsraum im nördlichen Bereich des Modellvorhabens zielt auf die Verbesserung der Querungsmöglichkeit für Fußgänger und Radfahrer im Kreuzungsbereich von Herrmann-Brill-Straße und Am Herrenberg ab. Es soll die landschaftsgestalterische Aufwertung der Wegeverbindung an die Feldflur und den dörflichen Stadtteil Dittelstedt, nördlich des Programmgebiets, erreicht werden.
In der dritten Kategorie "Aufwertung defizitärer Wegeverbindungen" findet sich einerseits die Aufwertung des Kammweg und andererseits die Neugestaltung Wegebeziehungen Melchendorfer Markt / Holzergraben / Katholisches Krankenhaus wieder. So sollen am Kammweg punktuelle Aufwertungen und die Schaffung zusätzlicher Freiraumangebote neue Qualitäten geschaffen werden. Die Neugestaltung der Wegebeziehungen Melchendorfer Markt/ Holzergraben / Katholisches Krankenhaus zielt hingegen auf die Stärkung der Wegeverbindung zwischen dem Einkaufszentrum Melchendorfer Markt und dem Katholischen Krankenhaus ab.
In der Kategorie "Ergänzende Maßnahmen" sind die Maßnahmen Neugestaltung der Stadtteileingänge, Bauleitplanung Auf der Melm und Bauleitplanung im Bereich Rabenhügel verortet. Die Maßnahme hat zum Ziel, die Stadtteile Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg und Melchendorf als bauliche Einheiten herauszustellen und deren markanten Eingangssituationen durch künstlerische Objekte zu betonen. Die angedachten Bauleitplanungen im Rahmen des Modellvorhabens Auf der Melm und im Bereich Rabenhügel im Konkreten sol-len Spielraum für notwendige Bauleitplanung zur städtebaulichen und freiraumplanerischen Neuordnung in diesen Bereichen eröffnen.
Kennziffern
Laufzeit: | 2022 - 2026 | |
Gesamtkosten: | 7.530.000 EUR | |
Zusammensetzung der Kosten: | ||
Freiflächengestaltung Rabenhügel | 950.000 EUR | |
Bauleitplanung im Bereich Rabenhügel | 150.000 EUR | |
Umfeldgestaltung Judohalle / Melchendorf | 1.200.000 EUR | |
Neugestaltung Wegebeziehungen Melchendorfer | 1.000.000 EUR | |
Bauleitplanungen Auf der Melm | 200.000 EUR | |
Aufwertung Kammweg | 600.000 EUR | |
Neugestaltung Stadtteileingänge | 830.000 EUR | |
Neugestaltung Treppe Muldenweg | 400.000 EUR | |
Panoramaweg Egstedter Trifft | 1.400.000 EUR | |
Herrenberg/ Übergang in den Landschaftsraum | 800.000 EUR |
Beteiligte Akteure:
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2.6.4 Handlungsfeld / Projekt 4: Ergänzung aktivierender sozialer Infrastruktur
Mit dem gesellschaftlichen Wandel, zunehmender Segregation, dem deutlichen Mehr an Kulturen, der Alterung der Bevölkerung, der wachsenden Schere zwischen Arm und Reich veränderte sich zunehmend auch das Miteinander in den Stadtteilen und bis dahin funktionierende Strukturen wurden aufgehebelt. Wie bereits eingehend in Kapitel 2.1 beschrieben, konzentrieren sich gewisse soziale bzw. sozioökomische Problemlangen im Erfurter Südosten im Vergleich mit der Gesamtstadt überdurchschnittlich häufig. An dieser Stelle setzt das Handlungsfeld "Ergänzung aktivierender sozialer Infrastruktur" an.
Mit zahlreichen Maßnahmen, die im Handlungsfeld 4 angesiedelt sind, sollen mit einer baulichen Aufwertung die Bedingungen vor Ort, sowohl in den Einrichtungen des Gemein-bedarfs als auch in Hinblick auf die Freiflächen verbessert werden. Es wird davon ausgegangen, dass dies eine Stärkung der Nachfrage bestehender Angebote und die Etablierung neuer Ansätze anstößt. Durch den umfassenden Beteiligungsprozess, der u.a. die bedarfs-gerechte Sanierung und die Anpassung der Gestaltung der Freiflächen umfasst, soll im Rahmen des Modellvorhabens eine Öffentlichkeitswirksamkeit erreicht werden, die die Räume und die dort stattfindenden Angebote umfänglich ins Bewusstsein der Bewohne-rinnen und Bewohner rückt. Zweck ist es also, bauliche Maßnahmen zur Aktivierung der sozialen Infrastruktur durchzuführen – mit dem Ziel, die soziale Kohäsion und das Miteinander im Stadtteil zu verbessern.
Der Erfurter Südosten soll – gerade mit Blick auf die soziale Infrastruktur und das Miteinander im Stadtteil – verstärkt als Einheit betrachtet werden. Dadurch kann ein vielfältigeres soziokulturelles Angebot der Freien Träger geschaffen werden und breitere Zielgruppen ansprechen. Die Einrichtungen in den einzelnen Stadtteilen sollen dahingehend gestärkt werden, um über ihre Grenzen hinaus, in den gesamten Erfurter Südosten zu wirken.
Zur Erreichung der angestrebten Entwicklungen sind insgesamt 11 Maßnahmen vorgesehen, die unter umfassender Einbeziehung der Bewohnerschaft konzipiert und realisiert werden sollen. Dabei soll neben dem externen Büro, das mit der Planung und Durchführung des umfassenden Beteiligungsverfahrens beauftragt werden soll, auch das Quartiersmanagement aus dem Programmgebiet Soziale Stadt Südost als Sprachrohr und Kommunikationsmedium zwischen Verwaltung, Bewohnerschaft und sonstigen Interessierten verstärkt eingebunden werden.
Die anvisierten Einzelmaßnahmen stehen in einem inhaltlichen und räumlichen Zusammenhang mit einigen Freiflächenmaßnahmen, die in Handlungsfeld 3 abgebildet sind, um schlüssige Strategien zur Kompensation der aufgezeigten Defizite und Konflikte im Projektgebiet zu erreichen und gezielte, zeitlich greifbare Weiterentwicklungen der örtlichen Gegebenheiten zu ermöglichen. So sollen Jugendhäuser und Stadtteiltreffpunkte sowie Freiräume, die sich an dem Bedarf von Kindern, Jugendlichen und Familien orientieren neu- bzw. umgebaut werden.
Die 11 Einzelmaßnahmen im Handlungsfeld 4 werden im Folgenden kurz erläutert, wobei zwischen vier Kategorien zu unterscheiden ist. Die angestrebten Hochbaumaßnahmen und Ansätze der Bauleitplanung wurden im Zielplan (siehe Abbildung 4) dargestellt.
Kategorien | Maßnahmen |
Maßnahmen mit räumlichem Bezug zur Neuen Mitte |
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Sanierung von Gemeinbedarfseinrichtungen |
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Sport und Integration |
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Ergänzende Maßnahmen |
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Abbildung 13: Übersicht der Kategorien und Maßnahmen in Handlungsfeld / Projekt 4
Einerseits sollen Freiflächen neu gestaltet werden, die in einem räumlichen Bezug zum neuen gemeinsamen Stadtteiltreffpunkt „Neue Mitte Südost“ stehen. Dies betrifft die Neugestaltung der Freizeitfläche Paulinzeller Weg, die Schulhofgestaltung Gemeinschaftsschule Großer Herrenberg, Herrmann-Brill-Str. 129/131 und die Neugestaltung der Freizeitfläche Singer Straße. Dabei sollen bestehende Flächen erweitert und mit Blick auf die Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten qualifiziert werden, mit dem Ziel Treffpunkte und Aufenthaltsorte zu schaffen. In der zweiten Kategorie werden Maßnahmen zusammengefasst, die die Sanierung von Gemeinbedarfseinrichtungen umfassen. Dabei sind die Maßnahmen Sanierung Jugendclub Wiesenhügel im Färberwaidweg 10, die Sanierung des Stadtteilzentrums (STZ) 2 in der Tungerstraße 8, die Sanierung des Gemeindehaus Gustav-Adolf-Gemeinde in der Singerstraße 1 sowie die Neugestaltung der Außenanlagen Familyclub am Drosselberg 24/26 aufzuführen. Die Sanierung der Gemeinbedarfseinrichtungen soll für die vielfältigen Frei-zeit-, Hilfs- und Bildungsangebote für Familien aus dem Gebiet neue räumliche Möglichkeiten schaffen und damit auch bedarfsorientierte Erweiterungen bestehender Angebote ermöglichen. So sollen beispielsweise im Rahmen der Neugestaltung der Außenanlagen des Familyclubs u. a. ein Spielplatz für Kleinkinder, die Neugestaltung des Familienfreizeitgartens, verschiedene Ruhe- und Aktivbereiche, angepasste Grünstrukturen sowie die Erneuerung der Zaunanlage, angepasst an die individuellen Bedürfnisse der Einrichtungen, realisiert werden. In der Freiflächengestaltung sollen die angrenzenden und vorhandenen Grünstrukturen betrachtet und gestalterisch einbezogen werden. Eine klimasensitive Bepflanzung und Regenwassermanagement sind u. a. Bestandteile der Maßnahme.
In der dritten Kategorie sind drei Maßnahmen angedacht, die das enorme Kommunikations- und Integrationspotential von gemeinsamen sportlichen Aktivitäten aufnehmen. Denn Sport, insbesondere Mannschaftssport, fördert die Begegnung und Verständigung von verschiedenen Personen mit ihren vielfältigen sozialen, kulturellen und familiären Hintergründen. Durch gegenseitige Toleranz können Vorurteile abgebaut und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Um diese positiven Effekte des Sports im Erfurter Südosten zu verstärken, sollen einerseits die Sporthalle der Grundschule 34 im Weißdornweg 1 sowie die Judohalle am Wiesenhügel (In der Lutsche 10) saniert werden und andererseits ein Sport- und Bürgerzentrum in Windischholzhausen im Buchenberg-weg 6 neu errichtet werden. Durch die Sanierung der Judohalle, die zu großen Teilen durch Judovereine genutzt wird, können die baulich-räumlichen Voraussetzungen für die wichtige Vereinsarbeit im Erfurter Südosten langfristig sichergestellt werden. Mit dem Sport- und Bürgerzentrum Windischholzhausen wird ein neuer Anlaufpunkt für die umliegenden Wohngebiete geschaffen. Auf zwei Geschossen soll eine Kombination von Sport- und Bürgerzentrum erreicht werden und die Begegnung der Bewohnerschaft aus Windischholz-hausen sowie Drosselberg und Buchenberg anregen und verstetigen.
In der Kategorie Ergänzende Maßnahmen soll Freiraum geschaffen werden für diverse Umsetzungen der Ergebnisse, die sich aus dem Wettbewerb zur "Neuen Mitte Südost" ergeben.
Kennziffern
Laufzeit: | 2022 - 2026 | |
Gesamtkosten: | 9.862.300 EUR | |
Zusammensetzung der Kosten: |
Sanierung Sporthalle Grundschule 34, Weißdornweg 1 | 2.400.000 EUR | |
Sanierung Judohalle Am Wiesenhügel, In der Lutsche 10 | 293.000 EUR | |
Neugestaltung Freizeittreff Paulinzeller Weg/Neubau Skateanlage Neue Mitte | 1.500.000 EUR | |
Schulhofgestaltung Gemeinschaftsschule Großer Herrenberg, Herrmann-Brill-Str. 129/131 | 500.000 EUR | |
Neugestaltung Außenanlagen Familyclub, Am Drosselberg 24/26 | 500.000 EUR | |
Sanierung Jugendclub Wiesenhügel, Färberwaidweg 10 | 450.000 EUR | |
Sanierung Stadtteilzentrum (STZ) 2, Tungerstraße | 1.000.000EUR | |
Sport- und Bürgerzentrum Windischholzhausen, Buchenbergweg 6 | 2.369.300EUR | |
Sanierung Gemeindehaus Gustav-Adolf-Gemeinde, Singerstraße 1 | 150.000 EUR | |
Neugestaltung Freizeitfläche Singer Straße | 500.000 EUR | |
Div. Umsetzung der Ergebnisse aus Wettbewerb | 200.000 EUR |
2.6.5 Handlungsfeld / Projekt 5: Anpassung an den Klimawandel
Die Auswirkungen des Klimawandels sind allgegenwärtig und im städtischen Umfeld sicht- und spürbar. Der Umgang mit den Auswirkungen und die Anpassung der Städte und Stadtteile stellen ein wichtiges Aufgabenfeld der künftigen Stadtplanung und -Entwicklung dar.
In den Erfurter Großwohnsiedlungen, die in industrieller Plattenbauweise errichtet wurden und von großzügigen Grünräumen gekennzeichnet sind, besteht Verbesserungsbedarf sowohl in Hinblick auf den Gebäudebestand als auch die Freiräume. So heizt sich der Gebäudebestand während den immer häufiger auftretenden Hitzeperioden enorm auf und führt zu einer starken Belastung für die Bewohnerinnen und Bewohner. Auch die mit Errichtung der Stadtteile hergestellten Grünanlagen, die maßgeblich zur Wohn- und Lebensqualität vor Ort beitragen, werden durch heiße Sommer enorm beansprucht.
Die bereits erwähnte beispielgebende Maßnahme, die über die Stadtgrenzen Erfurts hinaus wirken soll, ist die klimawandelgerechte Sanierung eines DDR-Typenbaus hervorzuheben. In Kooperation mit der Kommunalen Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt (KoWo) als Eigentümerin der Körnerstraße 9/10 sowie der HTW Dresden, Lehrgebiet Baukonstruktion/Bauwerkserhaltung, sollen energetische Umbaumaßnahmen erprobt werden, die gleichzeitig den Ansprüchen an neue moderne Wohnformen – u.a. in Hinblick auf Barrierefreiheit und angemessene Wohnungsgrößen – gerecht werden. Die Wohnscheibe verfügt über 200 Wohneinheiten, die z.T. durch sehr kleinteilige Grundrisse kennzeichnet sind und demnach teilweise nicht konform mit der Richtlinien der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Erfurt über die Angemessenheit der Aufwendungen der Kosten für Unterkunft und Heizung nach SGB II und XII sind.
Mit Blick auf die energetischen Eigenschaften der zu untersuchenden Wohnscheibe zeigen sich die unzureichenden Wärmedämmung sowie die Ausbaufähigkeit der Gebäudetechnik (Lüftungs- und Heizungssystem). Auch die barrierefreie Erschließung mit dem Aufzug lediglich in den Geschossen drei, sechs und neun entspricht nicht dem Anspruch an modernes, barrierefreies Wohnen.
Kennziffern
Laufzeit: | 2022 - 2026 | |
Gesamtkosten: | 3.200.000 EUR | |
Zusammensetzung der Kosten: |
Klimawandelgerechte Sanierung eines DDR-Typenbauses | 2.000.000 EUR |
Diverse Maßnahmen der Klimaanpassung, u.a. Nachpflanzung | 1.200.000 EUR |
2.6.6 Handlungsfeld / Projekt 6: Mobilitätsstationen
Öffentliche Räume sind vielerorts, sowohl im Bereich des ruhenden als auch des fließenden Verkehrs durch die Präsens des privaten PKWs geprägt. Wenngleich das Verhältnis von Stadt und PKW bereits seit den siebziger Jahren kritisch diskutiert wird, sind aktive Veränderungen oft nur in Teilbereichen ablesbar. Die enorme Flächeninanspruchnahme im Verhältnis zu einer vergleichsweise geringen Anzahl an Passagieren sowie die negativen Auswirkungen des motorisierten Individualverkehrs (z.B. Lärm- und Schadstoffbelastungen) sprechen für einen Umdenkprozess, der zukunftsgerichtete Mobilitätsformen wie etwa den nicht-motorisierten Verkehr, Sharing-Angebote und Elektromobilität in den Fokus rücken lässt. Diese Mobilitätsalternativen sind insbesondere in urbanen und gemischt genutzten Stadträumen von Bedeutung.
In den Stadtteilen Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg und Buchenberg besteht eine nachweislich geringere Fahrradverfügbarkeit im Vergleich zur Gesamtstadt, sodass insbesondere Bike-Sharing-Angebote im Zusammenhang mit Pedelecs zu einer Attraktivierung des Radverkehrs in den hügeligen Stadtteilen im Südosten beitragen sollen. Auch die Dichte der Standorte von Car-Sharing-Anbietern ist im Erfurter Südosten vergleichsweise übersichtlich. Mit dem Ziel, nachhaltige Mobilitätsformen zu befördern setzt sich die Stadt Erfurt zum Ziel, in allen Erfurter Stadtteilen Mobilitätsstationen zu schaffen. Sie bündeln Mobilitätsangebote zur geteilten Nutzung sichtbar im öffentlichen Raum und machen Alternativen zum eigenen Auto für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar. Dadurch sollen das Bewusst-sein für die Angebote geschaffen und die Nutzung verbessert werden, um den privaten Pkw-Besitz zu reduzieren und wertvolle Flächen im öffentlich nutzbaren Raum für andere Nutzungen zu gewinnen.
Mobilitätsstationen sollen an Standorten mit potenzieller Nachfrage, wohnortnah oder in Verknüpfung mit ÖPNV-Haltestellen eingerichtet werden. Typische Elemente von Mobilitätsstationen sind Car-Sharing und Bike-Sharing-Angebote, aber auch neue Sharing-Angebote wir E-Scooter oder Lastenräder sind vorgesehen. Zur Förderung der Elektromobilität kann außerdem Ladeinfrastruktur Teil einer Mobilitätsstation sein. Mit dem Angebot von E-Car-Sharing-Fahrzeugen wird Elektromobilität außerdem für die Bewohnerschaft erlebbar gemacht – trotz geringerer Nachfrage als beispielsweise in anderen Stadtteilen.
Der Blick auf die räumliche Verteilung der bestehenden Angebote in Erfurt zeigt sich, dass sich viele Sharing-Dienste auf die Innenstadt beschränken. Somit soll im Modellvorhaben erprobt werden, wie die Angebote sowohl auf die Stadtteile Herrnberg, Wiesenhügel, Melchendorf, Drosselberg und Buchenberg aus Sicht einer erweiterten Angebotsstruktur über-tragbar sind und wie das bislang weitgehend unbekannte Nutzungsverhalten der Bewohnerschaft von Großwohnsiedlungen zu definieren ist.
Die konkreten Standorte der Mobilitätsstationen sollen im Laufe des Modellvorhabens, u.a. im Rahmen des umfassenden Beteiligungsprozesses bedarfsorientiert im Dialog mit der Bewohnerschaft erörtert werden. Als denkbare Standorte sind der Melchendorfer Markt und die "Neue Mitte Südost" anzubringen. Das Modellvorhaben eröffnet somit die Möglichkeit, die Standorte der Mobilitätsstationen, die u.a. mit Ladeinfrastruktur für Elektroautos und Elektrofahrräder ausgestattet sind, zu konzipieren, umsetzen und in einem Test-lauf bis 2026 auf ihre Eignung hin zu erproben.
Die baulichen Interventionen in Form der Errichtung der Mobilitätsstationen sollen durch nicht bauliche Maßnahmen ergänzt werden. Dabei können beispielsweise temporäre Schulungsangebote in Form von Unterstützung bei der technischen Umsetzung der Nutzung der Verleihportale, dem Herunterladen und Bedienen der notwendigen Apps etc. umgesetzt werden. Die angedachten technischen Hilfestellungen zielen darauf ab, den Zugang zu den alternativen Mobilitätangeboten für alle zu ermöglichen – so auch beispielsweise Menschen, die weniger technisch versiert sind.
2.6.7 Handlungsfeld / Projekt 7: Neugestaltung peripherer Freiräume im Ergebnis des Beteiligungsprozesses
Wie die bisherigen Kapitel bereits eindringlich gezeigt haben, kommt den beiden Komponenten Freiraum und Bürgerbeteiligung im Rahmen des Modellvorhabens eine besondere Bedeutung zu. Vor dem Hintergrund, die Bewohnerschaft auf einen langen Weg zur Neustrukturierung und Umgestaltung der "Neuen Mitte Südost" mitzunehmen und eine möglichst hohe Akzeptanz des gesamten Modellvorhabens auf Seiten der Bevölkerung vor Ort zu erlangen, soll das Handlungsfeld 7 "Neugestaltung peripherer Freiräume im Ergebnis des Beteiligungsprozesses", Raum für die Umsetzung von Ideen und Ansätzen bieten, die im Rahmen des Beteiligungsprozesses aus der Bewohnerschaft heraus entwickelt und um-gesetzt werden. Dem Grundanliegen des Modellvorhabens folgend wird an dieser Stelle die Möglichkeit geschaffen, explizit auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner einzugehen und ihnen Entscheidungskompetenzen in einem begrenzten Rahmen zugeschrieben.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich in diesem Handlungsfeld innerhalb des vorliegenden Rahmenkonzepts noch keine konkreten Maßnahmen wiederfinden. Wenngleich bereits Ansätze und Gedanken innerhalb der Stadtverwaltung Erfurt vor-liegen, sollen die tatsächlichen Maßnahmen gemeinsam mit den Menschen vor Ort entwickelt werden. Seitens der Verwaltung wären beispielsweise kleinteilige Maßnahmen, die im Bereich der Wohnumfeldgestaltung und der Aufwertung bestehender Frei- und Grünräume angesiedelt sind, optimal und zielführend. Auch die Neugestaltung und Qualifizierung weiterer ungestalteter öffentlich nutzbarer (Teil-)flächen, die Schaffung eines barrierefreien und sicheren Fuß- und Radwegenetzes, das auch im Zusammenhang mit Handlungsfeld 3 zu betrachten ist, sollen in diesem Handlungsfeld vertiefend gemeinsam mit der Bevölkerung in Angriff genommen werden.
Weiterhin sollen Ideen für kostenfreie Sportangebote für alle Nutzerinnen und Nutzer, wie etwa Tischtennisplatten, Trimm-Dich-Pfade o.ä., vorgeschlagen werden. Die Nutzung der sportlichen Angebotsstrukturen werden zur Stärkung des Miteinanders der unterschiedlichen sozialen Gruppen im Gebiet beitragen. Mit der gestalterischen und funktionalen Aufwertung von Grün- und Freiflächen werden die angrenzenden Wohnstandorte gestärkt und Möglichkeiten für Naherholung, Bewegung und Gesundheit geschaffen bzw. verbessert.
Durch die Aufwertung und den Bedeutungsgewinn der Freiflächen können die eigenen Identitäten der Quartiere bewusst gemacht und herausgearbeitet werden. Parallel dazu sind die verkehrlichen Handlungsspielräume sowie die unterschiedlichen Anforderungen der Barrierefreiheit zu beachten, um eine zeitgemäße und zukunftsgerichtete Gestaltung der Stadtteile Wiesenhügel, Herrenberg, Melchendorf und Drosselberg zu erreichen. Grün- und Freiflächen sind außerdem Orte der Umwelt- und Naturerfahrung und leisten damit wichtige Beiträge zur Umweltbildung insbesondere für Kinder und Jugendliche. Zu-dem sind die Beiträge von Grün- und Freiflächen zur Verbesserung des kleinräumigen Stadtklimas in den Stadtteilen sowie zur Erhöhung der Biodiversität von Bedeutung.
Somit zeichnet sich ab, dass Handlungsfeld 7 erhebliche Beiträge zu einer ganzheitlichen und nachhaltigen Stadtentwicklung leisten kann. Als Maßnahmen zur freiraumplanerischen Reaktion auf den Klimawandel kann z.B. die gezielte Verdichtung von Grünstrukturen in Verbindung mit der Schaffung schattiger Aufenthaltsflächen mit hoher Aufenthaltsqualität angeführt werden. Zur Optimierung der Freiraumstrukturen ist auch vorgesehen, behutsam bestehende Freiraumelemente zurückzunehmen, um Flächen optisch zu öffnen und die Biodivesität zu fördern. Bei Neupflanzungen werden die Ergebnisse zur Erprobung klimaresilienter Arten berücksichtigt. Gebaut auf einen weitreichenden Beteiligungsprozess sollen in diesem Handlungsfeld bedarfsorientierte Maßnahmen hervorgebracht und umgesetzt werden.